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Urteile und Beschlüsse des OGH

Die Entscheidungen des OGH sind im Volltext im Rechtsinformation Justiz abrufbar. Ältere, dort noch nicht erfasste Entscheidungen können gegen Kostenersatz im Präsidium des OGH bestellt werden (ogh.praesidium@justiz.gv.at).
Eine Zusammenfassung ausgewählter aktueller Entscheidungen finden Sie hier:

 
 

2025

 
 

Schockschaden aufgrund des Absturzes eines Kleinflugzeuges auf das Einfamilienhaus während der Abwesenheit der Bewohner?

Erforderlich für die Zuerkennung eines Schockschadens an Dritte, die nicht als nahe Angehörige anzusehen sind, ist jedenfalls, dass der Dritte bei gebotener wertungsmäßiger Gesamtbetrachtung der Erstschädigung objektiv in gravierender Weise direkt ausgesetzt war. Wenn der Dritte der Erstschädigung aufgrund seiner Abwesenheit entgangen ist, liegt ein solcher Fall nicht vor, sodass kein Schadenersatz zusteht.


 
 
 
 

Zur Haftung eines Tourismusverbandes für eine Falschauskunft im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

Ein Tourismusverband ist keine selbstlose Einrichtung; er dient in hohem Maße den wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder und den Interessen der (zukünftigen) Gäste an einem gelungenen Urlaubserlebnis. Die Beantwortung von Fragen potenzieller Touristen zur Lage vor Ort – insbesondere zu allfälligen Beeinträchtigungen durch Epidemien – gehört zu seinem gesetzlich vorgegebenen Tätigkeitsbereich. Er haftet daher für eine Falschauskunft seiner Mitarbeiter.


 
 
 
 
 
 

„Liquidationsnetting“ nach Beendigung einer Zins-Swap-Vereinbarung infolge Liquidation einer Vertragspartei

Auch im Fall der Liquidation einer Vertragspartei kommt es zur Anwendung der §§ 8 und 9 des österreichischen Rahmenvertrags für Finanztermingeschäfte („Liquidationsnetting“). Auch die in Liquidiation befindliche, also die „andere Partei“ kann Ausgleichsansprüche nach § 8 Abs 2 des Rahmenvertrags geltend machen, selbst wenn die „ersatzberechtigte Partei“ keinen „Schadenersatz“ nach § 8 Abs 1 des Rahmenvertrags anspricht.. Ein solcher Ausgleichsanspruch ist der Höhe nach zweifach begrenzt, und zwar durch den Schaden der „anderen Partei“ und durch den Vorteil der „ersatzberechtigten Partei“.


 
 

Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft und deren Anfechtbarkeit

Haben „anwesende Wohnungseigentümer“ den Verwalter (mit einem „Beschluss“) dazu ermächtigt, im eigenen Namen für sich ein Nachbargrundstück anzukaufen, so hat dies für die Eigentümergemeinschaft keine Auswirkung und es liegt nicht einmal der Anschein eines (anfechtbaren) Beschlusses vor. Ermächtigt die Eigentümergemeinschaft die Hausverwaltung zum Abschluss eines Pachtvertrags für einen Teil eines Nachbargrundstücks und liegt dieser Vertragsabschluss im Gemeinschaftsinteresse, so handelt es sich dabei um eine der Beschlussfassung grundsätzlich zugängliche Verwaltungsmaßnahme.


 
 
 
 
 
 

Kosten einer von der Kriminalpolizei aus eigenem durchgeführten Sicherstellung

Die Staatsanwaltschaft Wien führte ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Täter wegen des Verdachts des Diebstahls in einem Lebensmittelmarkt. Die im Geschäftslokal vorhandene Videoüberwachung wurde durch die Kriminalpolizei von sich aus (§ 110 Abs 3 Z 1 lit d StPO), somit ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft, sichergestellt und einer Durchsicht unterzogen.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Servicegebühr eines Essenslieferservice zulässig

Die Klausel in den AGB eines Unternehmens, das eine Lieferplattform, bestehend aus einer mobilen Anwendung (App) und einer Website betreibt, wonach pro Bestellung eines Kunden eine Servicegebühr für die erbrachten Dienstleistungen verrechnet wird, ist aufgrund der konkreten Fallgestaltung zulässig.


 
 
 
 

Verhängung einer Geldbuße wegen verbotener Durchführung eines Zusammenschlusses

Geldbußen nach dem KartG verfolgen präventive und repressive Zwecke, was eine angemessene Höhe erfordert, weil sonst keine abschreckende Wirkung erzielt wird. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass auch in Österreich zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen sind, wie sie auf Unionsebene und in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich ist


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Fortgesetzte Gewaltausübung – § 107b StGB

Ein Schuldspruch wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 4 zweiter Fall StGB erfordert eine ausreichende Feststellungsbasis zu Frequenz und Schwere der Gewaltausübung im Sinn des § 107b Abs 1 StGB gegen eine in § 107b Abs 3 oder 3a Z 1 StGB genannte Person in einem – für sich genommen – ein Jahr übersteigenden Tatzeitraum.


 
 

Unterhaltsvorschuss für ukrainische Kinder?

Personen, die nach der Massenzustrom-Richtlinie bzw der diese in Österreich umsetzenden Vertriebenen-Verordnung vorübergehenden Schutz in Österreich genießen, zählen zu dem von § 2 Abs 1 UVG erfassten Personenkreis und haben daher bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse.


 
 
 
 

2024

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Interessantes zur Verjährung bei überhöhten Zinsen eines Fremdwährungskredits und zur Wirkung einer insolvenzrechtlichen Forderungsfeststellung

Die für Annuitäten entwickelte Rechtsprechung zur Verjährung bei überhöhten Zahlungen gilt nicht bei variablen Kreditraten, wenn also der Darlehensvertrag die Erhöhung bzw Senkung der Raten entsprechend der Entwicklung des Zinssatzes vorsieht. Auch bei einer überhöhten Leistung von ausschließlichen Zinszahlungen im Fall eines endfälligen Kredits berühren überhöht verrechnete Zinsen die Kapitalstilgung nicht weiter. Die Verjährung beginnt hier vor der Tilgung aller Rückzahlungsansprüche des Darlehensgebers.


 
 

Zulässigkeit eines Raumordnungsvertrags

Ein Raumordnungsvertrag, mit dem sich ein Bauträger gegenüber einer Gemeinde zur Bebauung einer ihm gehörenden Liegenschaft mit einer förderbaren Gesamtanlage verpflichtet, ist jedenfalls dann grundsätzlich zulässig, wenn die Liegenschaft zuvor als Freiland gewidmet war und erst durch die Umwidmung, die aufgrund des Raumordnungsvertrags erfolgte, bebaubar wurde.


 
 

Gemeinde haftet für Vergewaltigung

Vergewaltigungen einer Amtsleiterin durch einen Bürgermeister im Gemeindeamt stehen im ausreichenden inneren und äußeren Zusammenhang mit dem hoheitlichen Aufgabenbereich, nämlich der dem Bürgermeister als Leiter des Gemeindeamts übertragenen Fürsorgepflicht der Gemeinde als Dienstgeberin.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Kein Namensrecht an „Gebäudenamen“

Der Eigentümer einer Liegenschaft, auf der ein in Österreich unter einer bestimmten Bezeichnung bekanntes Gebäude steht, kann allein aufgrund seiner Eigentümerstellung anderen Personen nicht gestützt auf das Namensrecht die Nutzung von Domains untersagen, welche die Bezeichnung des Gebäudes enthalten.


 
 
 
 
 
 

Notwehr

Auch ein starker Faustschlag in das Gesicht kann als Notwehr gerechtfertigt sein, wenn dem Angegriffenen keine anderen verlässlichen Abwehrmöglichkeiten zur Verfügung stehen.


 
 
 
 
 
 
 
 

Keine Amts- und Staatshaftung für illegales Online-Glücksspiel

Strafbestimmungen des Glücksspielgesetzes, die die Einhaltung der Regelungen dieses Gesetzes absichern sollen, bezwecken nicht den Schutz der Vermögensinteressen einzelner Spieler. Ein allenfalls mangelhafter Vollzug dieser Bestimmungen steht daher nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit Schäden, die ein Spieler durch die Teilnahme an einem verbotenen Spiel erlitten hat.


 
 
 
 

Zur Beweislastverteilung in Bezug auf das (Nicht-)Vorliegen einer Saisonbranche im Anwendungsbereich des Kollektivvertrages für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe

Der klagende Arbeitnehmer trägt im Prozess die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass in einer Branche Betriebe, die keine Saisonbetriebe sind, überwiegen und die kollektivvertragliche Bestimmung des Pkt 21 lit a KV daher wirkungslos ist, weshalb nicht die kürzere kollektivvertragliche, sondern die längere gesetzliche Kündigungsfrist zum Tragen kommt.


 
 
 
 
 
 

Unzulässige AGB-Klauseln in Mietverträgen

Der Oberste Gerichtshof hat in einem – von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte angestrengten – Verbandsverfahren die Verwendung von den Verbraucher benachteiligenden Klauseln in vorformulierten Mietverträgen eines Hausverwaltungsunternehmens sowie einer gewerblichen Vermieterin untersagt.


 
 
 
 
 
 
 
 

Pflichtteilsberechnung bei Tod eines Eigentümerpartners – § 14 Abs 3 Satz 2 WEG

Der Oberste Gerichtshof stellt klar, dass nur der vom dringend wohnbedürftigen Pflichtteilsberechtigten als Wohnungseigentumspartner des Erblassers zu leistende (halbe) Übernahmspreis und nicht der gesamte Wert des ihm anwachsenden Anteils des Erblassers am Mindestanteil bei Berechnung der Pflichtteilsansprüche der übrigen Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen ist.


 
 

Unterhalt nach Haushaltstrennung

Stellt der Unterhaltspflichtige während eines Monats – etwa durch Ausziehen aus der gemeinsamen Wohnung – die Leistung von Naturalunterhalt ein, wird dadurch für den verbleibenden Teil des Monats Geldunterhalt fällig.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Anwendbarkeit des BTVG auf (Miet-)Kaufoptionsverträge

Ein entgeltlicher Optionsvertrag, der auf den Erwerb von (Wohnungs-)Eigentum gerichtet ist, ist ein Bauträgervertrag im Sinn des § 2 Abs 1 BTVG. Das vor Fertigstellung des Vertragsgegenstands vereinbarungsgemäß entrichtete Optionsentgelt kann daher der Sicherungspflicht des § 7 Abs 1 BTVG unterliegen. Vor Sicherung der Erlangung des (Wohnungs-)Eigentums kann diese Sicherungspflicht nicht geendet haben und das Optionsentgelt daher zurückgefordert werden.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Gefahrenquelle eines Spaßhauses ist zu sichern

Laufgeschäfte (Spaßhäuser) in Freizeitparks oder auf Jahrmärkten sind darauf ausgerichtet, die Besucher speziell durch den Einsatz von Wackelböden, rollenden Tonnen und Förderbändern zu Unterhaltungszwecken aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Betreiberin einer solchen Anlage hat aufgrund ihrer vertraglichen Verkehrssicherungspflicht dafür zu sorgen, dass in angemessener Zeit auf Stürze von Besuchern am Förderband reagiert wird.


 
 
 
 

E-Scooter-Fahrer im Straßenverkehr

Der Oberste Gerichtshof stellt klar, dass nicht nur Fahrradfahrern, sondern auch E-Scooter-Fahrern aus § 38 Abs 4 Satz 3 StVO das Recht auf ungehinderte und ungefährdete Überquerung der Fahrbahn bei Grünlicht der für sie geltenden Lichtsignale erwächst, dem das vom einbiegenden Fahrzeuglenker zu beachtende Behinderungs- und Gefährdungsverbot gegenübersteht.


 
 
 
 
 
 
 
 

Zur Haftung des Bundes für die Unterlassung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr

Betretungs- und Annäherungsverbote nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz dienen dem Schutz des Gefährdeten. Das schuldhafte Unterlassen solcher Anordnungen kann daher Amtshaftungsansprüche begründen. Wird ein Betretungs- oder Annäherungsverbot nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz erlassen, spricht der erste Anschein dafür, dass sich der Gefährder an diese Anordnung hält.


 
 

Zur Haftung des Bundes für Versäumnisse des polizeilichen Staats- bzw Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit der Terrorabwehr

Die Regelungen zur Abwehr konkreter Gefahren durch Maßnahmen der Sicherheitspolizei und zur Berichtserstattung nach § 100 Absatz 2 Strafprozessordnung dienen auch dem Schutz von Personen, die aufgrund der Verletzung dieser Pflichten einen Schaden an absolut geschützten Rechten und Rechtsgütern erlitten haben.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Freiwilliges Sozialjahr und Unterhaltsanspruch

Dem unterhaltsberechtigten Kind war es nicht zumutbar, anstelle der ihm möglichen und seinem Interesse, später Medizin zu studieren, entsprechenden Absolvierung eines Freiwilligen Sozialjahres entgegen seinem Gewissen den Wehrdienst oder entgegen seinem Ausbildungsinteresse bei einer beliebigen anderen Einrichtung einen nicht auf das Medizinstudium vorbereitenden Zivildienst zu absolvieren.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Beteiligung am Shitstorm kann teuer werden

Ein Shitstorm entsteht erst durch die Teilnahme vieler. Wer sich daran beteiligt und zur Weiterverbreitung aufruft, muss damit rechnen, dass er den Gesamtschaden gegenüber dem Opfer (vorweg)leisten und sich in der Folge der Mühe der Aufteilung des Ersatzes unter den anderen Schädigern unterziehen muss.


 
 
 
 

Teuerungsprämie und Insolvenz-Entgelt

Das Teuerungs-Entlastungspaket, BGBl I 2022/93, hat Zulagen und Bonuszahlungen, die der Arbeitgeber in den Kalenderjahren 2022 und 2023 aufgrund der Teuerung zusätzlich gewährt (Teuerungsprämie), im Betrag von bis zu 2.000 Euro pro Jahr steuerfrei erklärt. Diese Teuerungsprämie ist Arbeitsentgelt und bei Insolvenz des Arbeitgebers nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) gesichert.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Zur Überwälzbarkeit einer Verbandsgeldbuße

Wird einem Rechtsanwalt vorgeworfen, einen Verband nicht über den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue (§ 167 StGB) oder ein mögliches Vorgehen nach § 209a StPO (Kronzeugenregelung) belehrt zu haben, so stehen der Strafanspruch des Staates und der Zweck der Verbandsgeldbuße einem auf deren Ersatz gerichteten Schadenersatzanspruch seines Mandanten nicht entgegen.


 
 

Zustellung der Klage an einen ausländischen Rechtsträger, der im Inland eine Zweigniederlassung betreibt

Die Zustellung einer Klage ohne Bestellung eines Kurators durch Aufnahme einer Mitteilung in die Ediktsdatei setzt voraus, dass die Klage weder an der im Firmenbuch als für Zustellungen maßgeblich eingetragenen (ausländischen) Geschäftsanschrift des Rechtsträgers noch an jener seiner (inländischen) Zweigniederlassung bewirkt werden kann, weil dort keine Abgabestelle (mehr) besteht.


 
 
 
 
 
 
 
 

COVID-19-Mietzinsminderung für einen Swingerclub

Nicht nur zu Zeiten von Betretungsverboten, sondern auch aufgrund der sonst behördlich verordneten Einschränkungen (insbesondere Abstandsregelungen oder die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes) ist eine dem vereinbarten Vertragszweck des Betriebes eines Swingerclubs entsprechende Benützung des Bestandobjektes nicht möglich gewesen.


 
 
 
 
 
 
 
 

Führerscheinklausel in der Unfallversicherung

Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer versteht die Führerscheinklausel dahin, dass er, um Unfallversicherungsschutz zu genießen, über die zum Lenken eines Kraftfahrzeugs entsprechende Lenkberechtigung nach dem Führerscheingesetz verfügen muss. Das gilt auch für das Lenken eines – nicht zur Verwendung auf Straßen bestimmten – Trial-Motorrads bei einem Fahrsicherheitstraining.


 
 
 
 

Befriedigung für Opfer einer Straftat

Das Opfer einer Straftat hat im Fall des Verfalls auch dann Anspruch aus den vom Bund vereinnahmten Vermögenswerten befriedigt zu werden, wenn sich der Verurteilte oder (im selbständigen Verfallsverfahren) ein Haftungsbeteiligter in vollstreckbarer Form, insbesondere mit gerichtlichem Vergleich, zum Ersatz der Folgen jener Straftat verpflichtet hat, deretwegen auf Verfall erkannt wurde.


 
 
 
 
 
 
 
 

Begehung im Familienkreis (§ 166 StGB) und Erbunwürdigkeit (§ 539 ABGB)

Auch im Anwendungsbereich des ErbRÄG 2015 ist bei Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung gegen den Erblasser die Privilegierung des § 166 StGB zu beachten. Im Fall der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung gegen die Verlassenschaft ist § 539 ABGB zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen teleologisch dahin zu reduzieren, dass Erbunwürdigkeit nur dann eintritt, wenn auch die Tatbegehung zum unmittelbaren Nachteil des Erblassers unter Beachtung des § 166 StGB zu Erbunwürdigkeit führen würde.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Amtshaftung für Entscheidungen eines befangenen Richters

Richter sind verpflichtet, Umstände, die sie von ihrer Amtsausübung ausschließen oder die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (etwa persönliche Beziehungen zu einer Partei), unverzüglich anzuzeigen. Verletzt ein Richter diese Pflicht, kommt ein Amtshaftungsanspruch einer Verfahrenspartei für die durch die unterlassene Selbstmeldung verursachten Verfahrenskosten in Betracht.


 
 
 
 
 
 
 
 

2023

 
 
 
 
 
 

Mietzinsminderungsanspruch auch ohne Mängelanzeige betreffend eine gefährliche elektrische Anlage

Die Mietzinsminderung nach § 1096 ABGB setzt bei unverschuldeter Unkenntnis des Mieters von Mängeln des Bestandobjekts keine Anzeige an den Vermieter voraus. In diesem Fall trifft die Gefahr eines aus objektiver Sicht nicht dem vereinbarten Gebrauch entsprechenden Bestandobjekts den Vermieter als Eigentümer. Eine Verpflichtung zur Untersuchung für den Mieter nicht erkennbarer, nur theoretisch denkbarer Mängel des Bestandobjekts kann aus seiner Pflicht nach § 1097 ABGB, dem Bestandgeber ihm obliegende Ausbesserungen anzuzeigen, nicht abgeleitet werden. Der Umstand, dass der Mieter aufgrund der subjektiven Unkenntnis seiner Gefährdung das Objekt weitgehend uneingeschränkt nutzen konnte, ist bei Bestimmung der Höhe seines Zinsminderungsanspruchs angemessen zu berücksichtigen.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Zur Unzulässigkeit einer in einem Bauträgervertrag vereinbarten Schiedsgutachterabrede aufgrund eines Verstoßes gegen § 9 Abs 1 KSchG

Die in einem Kaufvertrag zwischen einem Bauträger und einem Verbraucher vereinbarte Verpflichtung zur Durchführung eines Schiedsgutachterverfahrens zur Feststellung von Mängeln schränkt im Hinblick auf die fehlenden prozessualen Mitwirkungsrechte der Käufer im Schiedsgutachterverfahren bei gleichzeitig weitgehender Bindung an das Ergebnis dieses Gutachtens im darauf folgenden Gerichtsverfahren die Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers iSd § 9 Abs 1 KSchG unzulässig ein. Eine derartige Klausel ist im Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbrauchern daher unwirksam.


 
 
 
 
 
 
 
 

Verstärkter Senat zu „wrongful birth“ und „wrongful conception“

1. Sowohl bei einem medizinischen Eingriff, der die Empfängnisverhütung bezweckt (zB Vasektomie oder Eileiterunterbindung), als auch bei der Pränataldiagnostik sind die finanziellen Interessen der Mutter (der Eltern) an der Verhinderung der Empfängnis bzw – bei Vorliegen der embryopathischen Indikation – der Geburt eines (weiteren) Kindes vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrags umfasst. 2. Wäre das Kind bei fachgerechtem Vorgehen bzw ordnungsgemäßer Aufklärung der Mutter (der Eltern) nicht empfangen bzw nicht geboren worden, haftet der Arzt (unabhängig von einer allfälligen Behinderung des Kindes) insbesondere für den von den Eltern für das Kind zu tragenden Unterhaltsaufwand.


 
 
 
 

Auskunft über „Kleinbetragssparbücher“

Steht fest oder ist unstrittig, dass ein Kunde auf sich identifizierte Sparbücher anlegte, ist damit eine im Eröffnungszeitpunkt bestehende Geschäftsbeziehung dargetan, die die Offenlegung aller damit im Zusammenhang stehenden Informationen gegenüber dem Kunden rechtfertigt, nämlich Kontonummer bzw IBAN, Bezeichnung, Ausgabestelle und Einlagestand bzw Buchstand im Eröffnungszeitpunkt. Die Sparurkunde muss dafür nicht vorgelegt werden.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Ersatz für verlorene Ruhezeiten

Wird in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gegen Ruhezeitenvorschriften nach der unionsrechtlichen Arbeitszeitrichtlinie verstoßen, ohne dass dies im Rahmen des Dienstverhältnisses (etwa durch Ersatzruhezeiten) ausgeglichen wird, haftet der Dienstgeber nach dem Amtshaftungsgesetz für die Verletzung seiner Fürsorgepflicht. Im Weg des Schadenersatzes ist aufgrund des unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes – über die Entlohnung allfälliger Mehrdienstleistungen hinaus – der Erholungswert der entgangenen Ruhezeiten abzugelten. Die Bemessung kann sich am durchschnittlichen Entgelt für die Zeit der entgangenen Ruhe orientieren.


 
 

Bruch einer Hüftprothese und Produkthaftung

Die Haftung für einen Produktfehler kann durch den Nachweis ausgeschlossen werden, dass die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem es der in Anspruch Genommene in den Verkehr gebracht hat, nicht als Fehler erkannt werden konnten.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Amtshaftung wegen Verletzung von Vorschriften des Verlassenschaftsverfahrens

Die Verpflichtung zur Übermittlung der unbeglaubigten Abschrift einer aktenkundigen letztwilligen Anordnung an die gesetzlichen Erben (§ 152 Absatz 2 Außerstreitgesetz) und die Verpflichtung, die nach der Aktenlage als Erben in Betracht kommenden Personen zur Abgabe einer Erbantrittserklärung aufzufordern (§ 157 Außerstreitgesetz), dienen der Wahrung des rechtlichen Gehörs möglicher Erben im Verlassenschaftsverfahren und damit der Verhinderung einer materiell falschen Einantwortung. Schäden aufgrund einer solchen Einantwortung stehen daher im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Verletzung dieser Pflichten.


 
 
 
 
 
 

Betreuungsinstitution trifft keine Aufsichtspflicht nach § 1309 ABGB über eine behinderte volljährige Person

Eine Haftung einer Betreuungseinrichtung eines Volljährigen gegenüber außenstehenden Dritten kommt regelmäßig nicht auf der Grundlage der Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 1309 ABGB, sondern nur bei Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten in Betracht, wobei die Wertungen der UN-Behindertenkonvention zu berücksichtigen sind.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Beweislast bei verspäteter Einlieferung ins Spital

Unterließ der Rettungsdienst rechtswidrig und schuldhaft den rechtzeitigen Transport einer Schlaganfallpatientin in das Krankenhaus, besteht dennoch keine Haftung für die aus dem Schlaganfall weiter resultierenden Gesundheitsschäden, wenn nicht festgestellt werden kann, ob bei rechtzeitiger Einlieferung die einzig mögliche, aber von einer Risiko-Nutzen-Abwägung verschiedensten Faktoren abhängige Behandlung des Schlaganfalls durchgeführt worden wäre.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Intransparenz einer Mietvertragsklausel für die Höhe des Hauptmietzinses, die auf gesetzliche Bestimmungen verweist, die bei Vertragsabschluss nicht mehr gelten

Die in einem Mietvertragsformular enthaltene Klausel „Sofern der Hauptmietzins gemäß § 62 WWFSG 1989 in der zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Hauses geltenden Fassung niedriger ist bzw wird als der jeweils höchstzulässige Hauptmietzins einer Wohnung der Kategorie A des § 16 Abs 2 MRG unter Berücksichtigung der in § 16 Abs 4 MRG genannten Wertsicherung, die hiemit vereinbart wird, so gilt dieser jeweils höchstzulässige Hauptmietzins als vereinbart.“ ist intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG und daher unwirksam.


 
 
 
 

Vereinbarung über Rückersatz von Ausbildungskosten

Soll der Arbeitnehmer zum Rückersatz von Ausbildungskosten verpflichtet werden, muss darüber noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen werden, aus der auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorgeht.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Zum Übergangsrecht bei der Schenkung auf den Todesfall

Stirbt der Erblasser nach dem 31. 12. 2016, dann ist für die Frage der Auswirkungen einer Schenkung auf den Todesfall (ua für die Anrechnung im Pflichtteilsrecht) die (neue) Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 auch dann maßgeblich, wenn der Vertrag über die Schenkung auf den Todesfall vor dem 31. 12. 2016 geschlossen wurde.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Zum Schutzzweck des Medizinproduktegesetzes 1996 im Zusammenhang mit der Verwendung eines Intrauterinpessars

Die das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) treffenden Aufsichts-, Überwachungs- und Informationspflichten nach dem Medizinproduktegesetz 1996 hatten insbesondere den Zweck, das Leben und die Gesundheit von Patienten vor Gefahren durch Medizinprodukte zu schützen. Bei durch Verletzung dieser Pflichten verursachten Schäden kommt daher eine Amtshaftung des Bundes in Betracht.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Klausel zwecks Ausschlusses der Rückzahlung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsspesen in einem Hypothekarkreditvertrag

Diese Klausel widerspricht weder der bis 31.12.2020 in Geltung gestandenen Bestimmung des § 20 Abs 1 HiKrG idF BGBl I 2015/135 noch dem Unionsrecht. Nach der Entscheidung des EuGH vom 9.2.2023, C-555/21, UniCredit Bank Austria AG, ist Art 25 Abs 1 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nur die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten umfasst, nicht entgegensteht.


 
 
 
 
 
 
 
 

Verstärkter Senat zu Optionsvertrag und laesio enormis

Für die Prüfung des Wertverhältnisses des im Optionsvertrag in Aussicht gestellten Hauptvertrags im Sinne des § 934 ABGB ist auf den Zeitpunkt der Einräumung des Optionsrechts abzustellen. Die Verjährungsfrist für die Anfechtung des im Optionsvertrag in Aussicht genommenen Hauptvertrags wegen laesio enormis läuft mit objektiver Möglichkeit der Geltendmachung. Nach Ablauf der Frist kann auch keine Einrede mehr erhoben werden.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Keine Presseförderung für eine überwiegend gratis vertriebene Tageszeitung

Gemäß § 2 Abs 7 PresseFG sind ua andere Druckschriften, die überwiegend von derselben Redaktion gestaltet werden, nicht gesondert zu fördern, sondern sind dem Stammblatt zuzurechnen. Die Auslegung der KommAustria, unter „Zurechnung zum Stammblatt“ sei zu verstehen, dass die Ausgaben der „anderen Druckschrift“ bei der Prüfung des Vorliegens der Fördervoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 2 PresseFG zu berücksichtigen sind, ist keinesfalls willkürlich.