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Der erbunwürdige Ehegatte & die Patchwork-Familie

 
 

Der Oberste Gerichtshof verneint die Möglichkeit der Repräsentation eines erbunwürdigen Ehegatten durch die leiblichen Kinder.

Der 2021 verstorbene Erblasser hatte fünf Kinder, drei Töchter aus erster Ehe und zwei Söhne aus zweiter Ehe. Er war in zweiter Ehe aufrecht verheiratet. Es liegt ein Fall gesetzlicher Erbfolge vor.

Die Töchter gaben Erbantrittserklärungen zu je einem Fünftel des Nachlasses mit der Behauptung ab, dass die Witwe erbunwürdig sei.

Die Witwe gab eine Erbantrittserklärung zu einem Drittel des Nachlasses ab und bestritt das Vorliegen von Erbunwürdigkeit.

Die Söhne gaben Erbantrittserklärungen zu je zwei Fünfzehntel (= 1/5 von zwei Drittel) des Nachlasses ab.

Das Erstgericht stellte – ohne inhaltliche Prüfung der Frage der Erbunwürdigkeit – das Erbrecht der Witwe zu einem Drittel und jenes sämtlicher Kinder zu je zwei Fünfzehnteln des Nachlasses fest. Selbst wenn die Witwe erbunwürdig sein sollte, würde deren Erbportion ausschließlich den gemeinsamen Kindern von Witwe und Erblasser (also den Söhnen) zufallen.

Das Rekursgericht gab Rekursen der Töchter Folge, hob die Entscheidung des Erstgerichts auf und trug diesem die Prüfung der Frage der Erbunwürdigkeit auf.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Witwe und der Söhne nicht Folge.

Die für die Lösung des Falls zentrale Bestimmung des § 542 ABGB lautet:
„Bei gesetzlicher Erbfolge treten die Nachkommen der erbunwürdigen Person an deren Stelle, auch wenn diese den Verstorbenen überlebt hat.“

Nach Darstellung der bisherigen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung führte der Oberste Gerichtshof aus, dass nach den allgemeinen Regelungen zur gesetzlichen Erbfolge im ABGB ein Ehegatte nicht durch seine Nachkommen repräsentiert werde. Der Gesetzgeber habe trotz der weiten Formulierung der Bestimmung des § 542 ABGB (§ 541 ABGB aF) keine – im Gesetz ansonsten nicht vorgesehene – Repräsentation des erbunwürdigen Ehegatten durch dessen Nachkommen einführen wollen. Der Wortlaut des § 542 ABGB („der erbunwürdigen Person“) erweise sich damit als zu weit. Im Ergebnis falle die Erbportion der Witwe von einem Drittel im Fall der Bejahung ihrer Erbunwürdigkeit entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts nicht allein an die Söhne als gemeinsame Nachkommen von Erblasser und Witwe.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 28.04.2024, 21:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/der-erbunwuerdige-ehegatte-die-patchwork-familie/)

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