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Diversion durch das Gericht

 
 

Zu den Begründungserfordernissen eines Beschlusses, mit welchem ein Verfahren diversionell eingestellt wird

In einem Verfahren des Bezirksgerichts Bludenz legte die Staatsanwaltschaft einem Angeklagten zur Last, er habe fahrlässig unter den in § 81 Abs 2 StGB umschriebenen Umständen zwei Personen am Körper verletzt und eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit von sechs weiteren Personen herbeigeführt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol und den Gebrauch anderer berauschender Mittel in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, obwohl er vorher gesehen hatte oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet ist, indem er als Lenker eines Pkw einen anderen Pkw überholte, mit einem entgegenkommenden Fahrzeug streifend kollidierte, von der Straße abkam, eine an einer Bushaltestelle wartende Person niederstieß, auf einen Gehweg weiterrollte, dort gegen eine weitere Person sowie gegen den von ihr geschobenen Kinderwagen prallte und diesen beiseite schleuderte, wodurch die vom Fahrzeug touchierten Personen Prellungen an den Beinen sowie Schürfwunden und Prellungen im Gesicht erlitten.
Diesen Sachverhalt qualifizierte die Staatsanwaltschaft als „d. Vergehen“ der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 StGB und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB.
Das Bezirksgerichts Bludenz stellte das Verfahren mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Beschluss „nach Bezahlung eines Geldbetrags von 6.150 Euro (inklusive Pauschalkostenbeitrag von 150 Euro) gemäß §§ 198, 199, 200 Abs 5 StPO“ ein. In der Begründung führte das Gericht lediglich aus, der Angeklagte habe den ihm mit – nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft unterbreiteten – Diversionsanbot vorgeschriebenen „Geldbetrag gemäß § 200 StPO zugunsten des Bundes“ und den Beitrag zu den Pauschalkosten am 17. Juli 2023 vollständig bezahlt.
In Stattgebung einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass dieser Beschluss mit dem Gesetz nicht in Einklang steht.
Ein Beschluss, mit dem ein Verfahren diversionell eingestellt wird, hat neben Spruch und Rechtsmittelbelehrung eine Begründung zu enthalten, in der die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Überlegungen auszuführen sind, die der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Demnach ist insbesondere darzulegen, warum das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 198 Abs 1 und Abs 2 Z 2 StPO angenommen hat.
Indem das Gericht seine Entscheidung – überdies unter gänzlicher Ausklammerung der Opferinteressen – ausschließlich auf die Leistung des Geldbetrags und des Beitrags zu den Pauschalkosten durch den Angeklagten gründet, wird den dargestellten Begründungserfordernissen diversioneller Einstellungsbeschlüsse nicht entsprochen.

Link zum RIS folgt in Kürze

 
ogh.gv.at | 29.04.2024, 05:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/diversion-durch-das-gericht/)

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