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Baukartell und Kronzeugenstatus: Abänderungsantrag der Bundeswettbewerbsbehörde ist zu prüfen

 
 

Behauptet die BWB, sie habe erst nach rechtskräftigem Abschluss des Geldbußenverfahrens Informationen erhalten, wonach die Kronzeugin bewusst kartellrechtswidrige Verhaltensweisen nicht offengelegt habe, kann sie eine Abänderung der verhängten Strafe beantragen.

Im sogenannten „Baukartell“ verhängte das Kartellgericht mit Beschluss vom 21. 10. 2021 eine Geldbuße in der von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) beantragten Höhe von 45,37 Mio EUR über jenes Unternehmen, dem von der BWB Kronzeugenstatus zuerkannt worden war (die jetzige Erstantragsgegnerin). Dieser Beschluss ist rechtskräftig. Der Kronzeugenstatus führte dazu, dass die BWB eine substantiell niedrigere Geldbuße beantragte als dies ohne Kronzeugenstatus der Fall gewesen wäre.

Am 22. 7. 2022 stellte die BWB einen Abänderungsantrag gemäß §§ 72 AußStrG, mit dem sie die Abänderung der Geldbußenentscheidung dahin begehrte, dass eine angemessene (höhere) Geldbuße, hilfsweise eine Geldbuße von 181,51 Mio EUR über dieses Unternehmen verhängt werde. Sie hätte den Kronzeugenstatus nicht gewährt, wenn sie gewusst hätte, dass das Unternehmen einzelne Kartellverstöße bewusst verschweige.

Das Kartellgericht wies den Abänderungsantrag der BWB zurück, prüfte ihn also inhaltlich nicht und traf auch keine Tatsachenfeststellungen zu den behaupteten Abänderungsgründen. Die BWB sei nicht beschwert, weil die verhängte Geldbuße dem von ihr selbst gestellten Antrag entsprochen habe.

Der Oberste Gerichtshof hob diesen Beschluss auf und trug dem Kartellgericht die Fortsetzung des Verfahrens über den Abänderungsantrag auf. Dem Abänderungsantrag steht nicht entgegen, dass die Geldbuße in der zunächst von der BWB beantragten Höhe festgesetzt wurde.

Das Argument, es sei der Effektivität des Kronzeugenprogramms abträglich, wenn Unternehmer befürchten müssten, nachträglich ihren Kronzeugenstatus zu verlieren, greift in jenen Fällen nicht, in denen der Unternehmer Kartellrechtsverstöße wissentlich verschwieg. Ob auch bloß fahrlässig unterbliebene Offenlegungen von Kartellverstößen einen geeigneten Abänderungsgrund bilden könnten, wurde ausdrücklich offen gelassen.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Kartellgericht zu prüfen haben, ob der behauptete zeitliche Ablauf und der Vorwurf des wissentlichen Verschweigens von Kartellverstößen tatsächlich zutreffen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 29.04.2024, 01:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/baukartell-und-kronzeugenstatus-abaenderungsantrag-der-bundeswettbewerbsbehoerde-ist-zu-pruefen/)

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