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Weitere Aspekte der Schadensberechnung beim „Diesel-Abgasskandal“

 
 

Unionsrechtlich gebotene Schadensberechnung nur gegenüber dem Fahrzeughersteller bei Verletzung des Schutzgesetzes der VO 715/2007/EG.

Der Oberste Gerichtshof hatte bereits früher ausgesprochen, dass ein Kläger, der ein mit unzulässiger Abschalteinrichtung nach Art 5 der EU-Verordnung (VO) 715/2007/EG versehenes Diesel-Kfz bei Kenntnis des Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erworben hätte, gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Zug-um-Zug-Rückabwicklung hat, aber auch einen Minderwert des Autos geltend machen kann. Dieser primär nach unionsrechtlichen Anforderungen – ausgehend von jüngster Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes – zu bestimmende Ersatz des Minderwertes ist im Sinn des § 273 Abs 1 ZPO nach freier Überzeugung innerhalb einer Bandbreite von 5 % und 15 % des vom Kläger gezahlten und dem Wert des Fahrzeuges angemessenen Kaufpreises festzusetzen.

Nunmehr war jedoch ein Fall zu beurteilen, in dem nicht der Fahrzeughersteller beklagt war, sondern der Motorenhersteller, dessen Aggregat im Fahrzeug eines anderen Herstellers verbaut worden war. Der Klagsanspruch gegen den Motorenhersteller, der nicht Adressat der als Schutzgesetz anzusehenden VO 715/2007/EG ist, wurde hier auf § 874 und § 1295 Absatz 2 ABGB gestützt: Dem Beklagten sei arglistiges und sittenwidriges Verhalten, nämlich die Entwicklung eines – offenkundig für den Markt bestimmten – „manipulierten“ Motors mit verbotener Abschalteinrichtung, zuzurechnen.

Der Oberste Gerichtshof, der den Vorinstanzen auftrug, diese von ihnen zu Unrecht als unberechtigt angesehene Anspruchsgrundlage zu prüfen, traf aus diesem Anlass Klarstellungen zur Schadensberechnung in einer solchen Konstellation:

Die Schadenersatzpflicht nach § 874 ABGB greift auch dann Platz, wenn – wie hier – die arglistige Irreführung nicht durch den Vertragspartner, sondern durch einen Dritten erfolgt ist. Hält der Getäuschte am Vertrag fest, ist der Schaden gemäß § 874 ABGB nach der relativen Berechnungsmethode zu ermitteln. Auch bei arglistiger Irreführung durch Dritte wird somit schadenersatzrechtlich ein Ergebnis erzielt, das dem einer Vertragsanpassung gleichkommt. Demnach ist zu fragen, welcher Vermögensstand vorhanden wäre, wenn der Vertrag mit entsprechendem Inhalt zustande gekommen wäre. Auch wenn feststeht, dass ein Fahrzeugkäufer bei ordnungsgemäßer Aufklärung das Fahrzeug nicht erworben hätte, kann er somit durch die Veranlassung der Leistung eines überhöhten Kaufpreises am Vermögen geschädigt worden sein.

Daraus folgerte der Oberste Gerichtshof nun, dass die eingangs erwähnte, von der Rechtsprechung für Haftung bei Verletzungen von im Unionsrecht wurzelnden Schutzgesetzen entwickelte und aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben von der innerstaatlichen Systematik abweichende Methodik der Schadensberechnung nur gegenüber dem Fahrzeughersteller zu Anwendung zu kommen hat. In einer Fallkonstellation wie hier jedoch, in der nicht der Fahrzeughersteller, sondern der Motorenhersteller wegen arglistigen und sittenwidrigen Verhaltens in Anspruch genommen wird, ist diesem gegenüber der Schaden, allgemeinen rein innerstaatlichen Regeln folgend, nach der relativen Berechnungsmethode zu ermitteln.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 29.04.2024, 00:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/weitere-aspekte-der-schadensberechnung-beim-diesel-abgasskandal/)

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