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Eine zweite Abtretung derselben künftig entstehenden Forderung ist wirkungslos – Kein Rechtserwerb bei „Scheinzession“

 
 

Wer eine künftig entstehende Forderung abgetreten erhält, die schon zuvor wirksam zugunsten eines anderen (zur Sicherstellung) abgetreten wurde, ist bloß Scheinzessionar. Auch bei einer zukünftigen Forderung kann der zweite Zessionar keine Rechte an (zugunsten des Erstzessionars) bereits wirksam übertragenen Forderungen vom Zedenten erwerben, weil der Zedent bei der „zweiten Abtretung“ die Rechtszuständigkeit insoweit bereits verloren hat.

Drei (später insolvente) Eigentümer mehrerer Liegenschaften hatten zur Besicherung ihrer Kreditverbindlichkeiten der beklagten Bank Pfandrechte eingeräumt und die Forderungen aus laufenden und künftigen Mietverträgen abgetreten. Als die offenen Verbindlichkeiten einen bestimmten Betrag überstiegen, wurden Gespräche über eine mögliche Schuldenreduktion geführt. Die Bank nannte nach Schätzung der Liegenschaften bestimmte Mindestverkaufspreise, zu denen sie einem „lastenfreien Verkauf“ gegen Erhalt des Verkaufserlöses zustimmen würde. Darüber, wann und zu welchen Bedingungen „die Mietzessionen“ auf den zu verkaufenden Liegenschaften „aufgehoben“ werden würden, wurde nicht gesprochen. Eine der Liegenschaften wurde daraufhin Ende Mai 2015 von einer zu diesem Zweck gegründeten Gesellschaft um den Mindestverkaufspreis gekauft. Einer ihrer Geschäftsführer ist einer der drei Miteigentümer, und zwar jener, der die Gespräche mit dem Vertreter der Bank geführt hatte. Im Kaufvertrag war als „wirtschaftlicher Stichtag“ der 1. 6. 2015 festgelegt. Mit diesem Stichtag „galten“ nach dem Vertragstext auch „die Mietzinsforderungen von den Verkäufern an den Käufer als abgetreten. Dass die (künftigen) Mietzinsforderungen an die Bank abgetreten waren, wurde – wiewohl dies der Gesellschaft aufgrund des Wissens ihres Geschäftsführers bekannt war – im Kaufvertrag nicht erwähnt. Ein von der Abtretung der künftigen Mietzinsforderungen zugunsten der Bank (im Jahr 2013) verständigter Mieter zahlte den Mietzins am 5. 6. (wie bisher) an die Bank. Sie erfuhr vom Verkauf erst am 11. 6. und erhielt den Verkaufserlös erst am 4. 11.2015.

Die Gesellschaft begehrte von der Bank Zahlung in Höhe des an diese Anfang Juni 2015 bezahlten Mietzinses mit der Behauptung, dieser stünde gemäß dem im Kaufvertrag vereinbarten wirtschaftlichen Übergabestichtag bereits ihr zu.

Das Erstgericht wies die Klage ab und verneinte die behauptete ungerechtfertigte Bereicherung der Bank. Die Übereinkunft zwischen dieser und den drei Miteigentümern habe keinesfalls eine Ermächtigung an die Miteigentümer enthalten, bei einem Verkauf durch Festlegung eines bestimmten Stichtags über den Übergang von Nutzen und Lasten frei bestimmen zu können, ab wann die Mietzessionen erlöschen sollten.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und sprach den begehrten Betrag zu. Es vertrat den Standpunkt, die Bank habe gegenüber der Käuferin kein über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung zur bücherlichen Lastenfreistellung hinausgehendes Mitspracherecht betreffend die Kaufvertragskonditionen. Sollten sich die Verkäufer ihr gegenüber vertragswidrig verhalten haben, könne sie sich nur an diese wenden. Mit dem im Vertrag genannte Stichtag sei es zum Übergang der Bestandverhältnisse und der Bestandzinsforderung auf die Käuferin gekommen. Die Tatsache, dass sowohl diese, als auch der Mieter an dem Bestandverhältnis festhalten wollen, liege auf der Hand.

Der Oberste Gerichtshof stellte das Ersturteil wieder her.

Die Käuferin hatte sich allein auf den im Vertrag zwischen ihr und den Verkäufern vereinbarten Übergabestichtag berufen, nicht aber auf einen Eintritt in die Bestandverhältnisse vor dem 5.6. oder eine (aus dem Sachverhalt auch nicht ableitbare) Zustimmung des Mieters dazu. Soweit die Verkäufer ihre Rechte (bekanntermaßen) bereits an die Bank abgetreten hatten (und solange diese Abrede über die Zession zukünftiger Mietzinsforderungen zwischen den Verkäufern und der Bank noch aufrecht bestand), konnte die der Käuferin zugesagte Abtretung nicht erfüllt werden. Bei der Abtretung künftiger Forderungen, bei der die Einigung über die Zession schon zu einen bestimmten (früheren) Zeitpunkt erfolgt ist, wächst die Forderung dem Zessionar mit dem Entstehen der (jeweiligen Einzel-)Forderung zu, ohne dass es noch irgendwelcher weiterer Handlungen bedarf. Auch wenn es bei einer Sicherungszession zur Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts (der Zession) darüber hinaus noch des nötigen Modus (Publizitätsakts) bedarf, scheidet die abgetretene Forderung damit aus dem Vermögen des Zedenten aus und wird Bestandteil des Vermögens des (Erst-)Zessionars. Eine nochmalige Zession der gleichen Forderung durch den Zedenten verschafft dem zweiten Zessionar keine Rechte an der bereits einmal gültig abgetretenen Forderung, war ersterer doch nicht mehr Inhaber der Forderung.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 29.03.2024, 11:03
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/eine-zweite-abtretung-derselben-kuenftig-entstehenden-forderung-ist-wirkungslos-kein-rechtserwerb-bei-scheinzession/)

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