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FAQ – Häufig gestellte Fragen

 
 

Zum Obersten Gerichtshof

Wie wird man Richter/in am Obersten Gerichtshof?

Die Planstelle einer Richterin bzw eines Richters wird ausgeschrieben. Der Personalsenat des Obersten Gerichtshofs – ein richterlicher Fünfersenat, bestehend aus der/dem Präsidentin/Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, einer/einem Vizepräsidentin/Vizepräsidenten und drei weiteren Mitgliedern, die von allen Richter/inne/n des Obersten Gerichtshofs gewählt wurden – erstattet einen Besetzungsvorschlag und legt ihn der/dem Bundesminister/in für Justiz vor. Die Ernennung obliegt der/dem Bundespräsidentin/Bundespräsidenten. Es ist üblich, dass sich die/der Bundesminister/in für Justiz und die/der Bundespräsident/in an den Besetzungsvorschlag des Obersten Gerichtshofs halten.


Wie viele Richterinnen und Richter hat der Oberste Gerichtshof?

Der Oberste Gerichtshof hat derzeit 60 Richterinnen und Richter. Davon sind 42 – einschließlich der Präsidentin – in Zivilsachen tätig, 18 in Strafsachen.


Wie viele Fälle entscheidet der Oberste Gerichtshof im Jahr?

Der Oberste Gerichtshof erledigt jedes Jahr mehrere tausend Fälle, deutlich mehr Zivilsachen als Strafsachen. Die konkreten Zahlen sind aus den Tätigkeitsberichten des Obersten Gerichtshofs ersichtlich, die jedes Jahr erstellt werden.


Welche Aufgaben hat die/der Präsident/in des Obersten Gerichtshofs?

Die/Der Präsident/in des Obersten Gerichtshofs ist unter anderem

  1. Vorsitzende/r eines Zivil- oder Strafsenats,
  2. Vorsitzende/r des Personalsenats (auch des Außensenats), der über Besetzungsvorschläge für Richterinnen und Richter des Obersten Gerichtshofs und der Oberlandesgerichte sowie für Präsidentinnen und Präsidenten, Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten der Gerichtshöfe entscheidet,
  3. Vorsitzende/r der Begutachtungssenate, welche auf Ersuchen der/des Bundesministerin/Bundesministers für Justiz oder der/des Präsidentin/Präsidenten des Obersten Gerichtshofs zu Gesetzes- oder Verordnungsentwürfen Gutachten abzugeben haben,
  4. Vorsitzende/r des obersten Disziplinargerichts für Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und
  5. Vorsitzende/r der Vollversammlung des Obersten Gerichtshofs, welche den jährlichen Tätigkeitsbericht beschließt.

Abgesehen von der Ausübung dieser in richterlicher Unabhängigkeit ausgeübten Funktionen

  1. vertritt sie/er den Obersten Gerichtshof nach außen und übt die Dienstaufsicht über Richterinnen und Richter, Beamtinnen und Beamte und Vertragsbedienstete des Gerichtshofs aus,
  2. bestellt sie/er die/den Leiter/in des Wissenschaftlichen Dienstes, die/der nach seinen Vorgaben für die Erfassung und Aufbereitung der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und anderer Gerichte sowie die wissenschaftliche Unterstützung der Mitglieder des Obersten Gerichtshofs die Verantwortung trägt, und
  3. obliegt ihr/ihm die Aufsicht und Führung der Zentralbibliothek im Justizpalast.

Während der innere Dienstbetrieb aller anderen ordentlichen Gerichte mit Verordnung der/des Bundesministerin/Bundesminsters für Justiz geregelt wird, fällt diese Zuständigkeit für das Höchstgericht seiner/seinem Präsidentin/Präsidenten zu. Anders als das Gerichtsorganisationsgesetz hinsichtlich der Oberlandes-, Landes- und Bezirksgerichte (§ 74 GOG) sieht das Gesetz über den Obersten Gerichtshof Aufsichtsrechte der/des Bundesministerin/Bundesministers für Justiz gegenüber der/dem Präsidentin/Präsidenten des Obersten Gerichtshofs nicht vor.


Zum Verfahren

Wie läuft ein Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof ab?

Der Oberste Gerichtshof entscheidet in der Regel nur über Rechtsmittel, diese dienen der Bekämpfung von Gerichtsentscheidungen. Rechtsmittel sind beim Gericht erster Instanz einzubringen und werden von diesem Gericht mit dem Akt dem Obersten Gerichtshof vorgelegt. In Strafsachen entscheidet der Oberste Gerichtshof außerdem über Nichtigkeitsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes sowie über Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO).

Das für den Fall als „Berichterstatterin“ oder „Berichterstatter“ zuständige Senatsmitglied (wer das ist, ist von der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs vorherbestimmt) verfasst einen Entscheidungsentwurf, der die Grundlage für die Diskussion im Senat bildet. Beraten wird in nichtöffentlicher Sitzung des Senats.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wird nur ausnahmsweise mündlich verkündet (in bestimmten Fällen in Strafsachen), sonst den Vertreter/inne/n der Verfahrensparteien im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt.


Sind Eingaben an den Obersten Gerichshof per E-Mail zulässig?

Nein. Eingaben können mit einem Schriftstück oder im sogenannten elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, der jedermann nach Registrierung offensteht.


Braucht man in Verfahren beim Obersten Gerichtshof einen Rechtsanwalt?

In Strafsachen ist die Vertretung durch eine/n Verteidiger/in vorgeschrieben.
In Zivilsachen muss in der Regel ein/e Rechtsanwältin/Rechtsanwalt beigezogen werden.


Finden beim Obersten Gerichtshof öffentliche Verhandlungen statt?

In Strafsachen gibt es in bestimmten Fällen öffentliche Verhandlungen:

  1. wenn über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu entscheiden ist,
  2. in manchen Fällen einer Nichtigkeitsbeschwerde und
  3. in manchen Fällen eines Erneuerungsantrags.

In Zivilsachen sieht das Gesetz keine öffentliche Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof vor. Nur in besonderen Ausnahmefällen setzt der Oberste Gerichtshof selbst eine mündliche Revisionsverhandlung an (zum Beispiel im Jahr 2008 im Verfahren 7 Ob 110/08i).


Wie erfährt man vom Termin einer öffentlichen Verhandlung?

Die Verhandlungstermine sind beim Obersten Gerichtshof auf der Anschlagtafel ausgehängt (Justizpalast, Wien 1., Schmerlingplatz 11, 3. Stock, neben Zimmer 3045).

In öffentlichkeitsrelevanten Fällen weist die Medienstelle durch eine Aussendung auf die Verhandlungstermine hin.


Was ist eine Zulassungsbeschwerde?

In Zivilsachen entscheidet der Oberste Gerichtshof dann, wenn die zweite Instanz ausgesprochen hat, dass eine „erhebliche Rechtsfrage“ zu beantworten ist. Eine „erhebliche Rechtsfrage“ ist typischerweise eine Frage, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat. Da die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs veröffentlicht werden und frei über das Internet zugänglich sind, orientieren sich die Gerichte an der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Gegen den Ausspruch, dass ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig ist, kann ab einem bestimmten Streitwert eine Zulassungsbeschwerde eingebracht werden:

  • Bei einem Streitwert bis 30.000 Euro entscheidet das Gericht zweiter Instanz endgültig, ob der Oberste Gerichtshof angerufen werden kann,
  • Bei einem Streitwert über 30.000 Euro entscheidet der Oberste Gerichtshof, ob eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

Was ist ein Vorabentscheidungsersuchen?

Ein Vorabentscheidungsersuchen ist ein Ersuchen eines Gerichts eines EU-Mitgliedstaats an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), eine mit dem Unionsrecht zusammenhängende Frage zu beantworten.

In letzter Instanz entscheidende Gerichte – wie der Oberste Gerichtshof – müssen ein Vorabentscheidungsersuchen stellen, wenn über eine solche Frage des Unionsrechts zu entscheiden ist und der EuGH sie bisher nicht beantwortet hat. Häufig kommen Vorabentscheidungsersuchen im Wettbewerbsrecht und im Arbeits- und Sozialrecht vor.


Was ist eine Nichtigkeitsbeschwerde?

Hat in erster Instanz ein Schöffengericht oder ein Geschworenengericht entschieden, kann das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden.

Die/Der Verteidiger/in, aber auch die Staatsanwaltschaft kann in der Nichtigkeitsbeschwerde vorbringen, dass dem Erstgericht bestimmte Fehler bei der Verhandlung oder im Urteil selbst unterlaufen seien.

Die/Der Privatbeteiligte (das Opfer, das im Strafverfahren Schadenersatzansprüche aus der Tat geltend macht) kann gegen einen Freispruch Nichtigkeitsbeschwerde erheben, wenn ein von ihr/ihm in der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag abgelehnt wurde.

Über die Nichtigkeitsbeschwerde entscheidet der Oberste Gerichtshof.


Was ist eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes?

Die Generalprokuratur kann rechtliche Fehler eines Strafgerichts beim Obersten Gerichtshof beanstanden, sie erhebt dazu eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes.

Der Oberste Gerichtshof entscheidet darüber in öffentlicher Verhandlung.

Findet er, dass das Gesetz verletzt wurde, stellt er dies in seinem Urteil fest. Dies dient der Klarheit und Einheitlichkeit der Rechtsanwendung.

Hatte die/der Angeklagte durch die Gesetzesverletzung einen Nachteil, behebt der Oberste Gerichtshof diesen Nachteil, zum Beispiel durch Aufhebung einer fehlerhaften Entscheidung und Anordnung eines neuen Verfahrens.


Was ist ein Erneuerungsantrag?

Angeklagte und Dritte können auch ohne vorheriges Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Verletzungen der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle durch eine Entscheidung oder Verfügung eines untergeordneten Strafgerichts im Weg eines auf § 363a StPO gestützten Antrags beim Obersten Gerichtshof geltend machen, wenn sie im Instanzenzug keine Abhilfe gefunden haben. Der Antrag muss von einem Verteidiger unterschrieben sein.

Ein Beispiel für den Rechtsschutz auf diesem Weg bietet der Fall 13 Os 130/10g.


In welcher Senatsbesetzung entscheidet der Oberste Gerichtshof?

Der Oberste Gerichtshof entscheidet in der Regel in Fünfersenaten, ausnahmsweise in Dreiersenaten. Diese Ausnahmefälle sind im Gesetz aufgezählt (zum Beispiel bei Grundrechtsbeschwerden).

Verstärkte Senate bestehen aus elf Mitgliedern. Sie entscheiden über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, etwa wenn von einer ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs oder von einer Entscheidung eines verstärkten Senats abgegangen werden soll. Ein verstärkter Senat tritt auch zusammen, falls die zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bisher nicht einheitlich beantwortet wurde.


Wie lang dauern die Verfahren beim Obersten Gerichtshof?

Der Oberste Gerichtshof erledigt die Verfahren rasch: Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt 3,7 Monate (vom Einlangen des Falles bis zur Abfertigung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs).


Werden die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs veröffentlicht?

Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs sind im Volltext (anonymisiert) kostenlos über das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) zugänglich.


 
ogh.gv.at | 19.03.2024, 03:03
(https://www.ogh.gv.at/service/fragen-antworten/)

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