Zum Hauptinhalt
 
 
 
 

Baubeschränkungen aufgrund einer Servitut gehen öffentlich-rechtlichen Regelungen vor

 
 

Eine in Form einer Dienstbarkeit vereinbarte Baubeschränkung steht auch einer Bauführung entgegen, die aufgrund später erlassener öffentlich-rechtlicher Bauvorschriften zulässig wäre.

Die Siedlung S ***** ist eine in den Jahren 1919 bis 1926 errichtete Siedlung. Die Siedlung besteht aus 116 klassischen Reihenhäusern mit Garten. Die Größe der Häuser beträgt zwischen 50 und 80 m². Die Rechtsvorgänger haben (auch) zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Hauses Nummer ***** (welches) nunmehr im Eigentum des Klägers steht, die Verpflichtung übernommen, keine Bauführungen vorzunehmen, wodurch den Nachbarn, den Eigentümern der Häuser Nummer ***** und ***** für ihre Wohnung oder Grund Licht und Sonne oder der Luftzug weggenommen oder geschmälert werden könnten.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, eine im einzelnen näher bezeichnete Bauführung zu unterlassen. Der Beklagte setzte dessenungeachtet die Bauführung während des Verfahrens fort; diese ist zwischenzeitig abgeschlossen.

Die Vorinstanzen wiesen das Unterlassungsbegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge und gab der Klage statt.

Durch die zitierten vertraglichen Vereinbarungen sollten der seinerzeitige Charakter der Siedlung erhalten und die Interessen der Nachbarn abgesichert werden, zumal den Licht- und Belüftungsverhältnissen schon damals in Anbetracht der extremen Kleinräumigkeit der einzelnen Häuser besondere Bedeutung zukam. Die zwischenzeitig in Kraft getretene Oberösterreichische Bauordnung hat die seinerzeitige Dienstbarkeit nicht funktionslos gemacht. Auch bei der gegenwärtigen Rechtslage ist ein Servitutsberechtigter wesentlich stärker abgesichert als ein Nachbar, der sich nicht auf eine Servitut stützen kann, sondern lediglich öffentlich-rechtliche Einwendungen im Zuge des Bauverfahrens vorbringen kann. Die Wertungen des Gesetzgebers bei negativen Immissionen iSd § 364 Abs 3 ABGB lassen sich nicht auf eine Situation übertragen, in der eine Servitut einem Berechtigten gerade eine deutlich bessere Rechtsposition vermittelt als das allgemeine Nachbarrecht.

Die vom Beklagten vorgenommenen Änderungen sind nicht durch ein Interesse an der Schaffung zeitgemäßen Wohnraums zu erklären, hätte doch nach den Feststellungen ein Umbau auf 130 m² ohne jede Änderung der äußeren Form erreicht werden können. Zusammenfassend kommt den Interessen des Beklagten an der Bauführung keineswegs ausreichendes Gewicht zu, eine Einschränkung der vertraglichen Rechtsposition des Klägers zu rechtfertigen.

Zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 29.03.2024, 04:03
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/baubeschraenkungen-aufgrund-einer-servitut-gehen-oeffentlich-rechtlichen-regelungen-vor/)

Oberster Gerichtshof  |  Schmerlingplatz 11 , A-1010 Wien  |  Telefon: +43 1 52152 0  |  Telefax: +43 1 52152 3710