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Aufklärungspflicht über Marktwert beim Zins-Swap-Geschäft

 
 

Wenn die Bank dem Kunden in der Doppelrolle aus einem Beratungsvertrag und einem von ihr initiierten und gestalteten Zins-Swap-Geschäft, das einen für den Kunden anfänglich negativen Marktwert aufweist, gegenübersteht, hat sie den Kunden vor Abschluss des Zins-Swap-Geschäfts über den in ihrer Person bestehenden Interessenkonflikt (§ 35 Abs 5 WAG 2007) und damit über den schon anfänglich bestehenden negativen Marktwert, dessen Höhe, Bedeutung und Zustandekommen aufzuklären.

Die klagende GmbH und die beklagte Bank schlossen über Initiative der Bank – neben einem Beratungsvertrag – ein Zins-Swap-Geschäft (Zinstauschabkommen). Dabei handelte es sich um einen dem Tilgungsplan zu einem von der Klägerin vorher aufgenommenen Kredit bei einer Drittbank mit variabler Verzinsung angepassten, nicht zu Spekulationszwecken abgeschlossenen Amortisations-Swap: Es wurde das Risiko einer nachteiligen Veränderung des Referenzzinssatzes „3-Monats-Euribor“ gegen den Fixzins von 2,55 % getauscht. Der Marktwert eines Swaps ist als Differenz der Barwerte der fixen Zahlungen gegenüber den Barwerten der (vom Markt erwarteten) variablen Zahlungen definiert.

Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene, von der Beklagten gestaltete Zins-Swap wies bei Abschluss einen anfänglichen Marktwert von 34.910,80 EUR auf; und zwar einen aus der Sicht der klagenden Kundin negativen, weil der Barwert der von der Klägerin zu leistenden Zahlungen um diesen Betrag höher war. Die Klägerin als Kundin nahm im Rahmen der abgeschlossenen Glücksgeschäfts also jene Position ein, die vom Markt schon ursprünglich als die ungünstigere angesehen und daher mit einem negativen Marktwert belegt wurde. Das verschaffte der beklagten Bank den selbst gestalteten Vorteil, die eigenen Risiken aus diesem Geschäft zu günstigen Konditionen am Markt durch Hedge-Geschäfte weiterreichen zu können. Davon hatte die Klägerin keine Kenntnis. Eine Aufklärung über den anfänglich negativen Marktwert durch die Beklagte erfolgte nicht.

Die Vorinstanzen wiesen die (Schadenersatz-)Klage, soweit sie auf die unterbliebene Aufklärung über den anfänglich negativen Marktwert gestützt wurde, mit der Begründung ab, dass die Klägerin darüber nicht zu informieren gewesen sei.

Der Oberste Gerichtshof bejahte jedoch eine solche Aufklärungspflicht der Bank: Nach § 38 WAG 2007 muss der Rechtsträger sein Fachwissen ohne Einschränkungen in den Dienst des Kunden stellen und darf keine den Kundeninteressen gegenläufigen Eigeninteressen (ausgenommen das bloße Entgeltsinteresse) verfolgen (hier also im Interesse der Klägerin einen Zins-Swap zu einem möglichst niedrigen Fixzinssatz empfehlen). Dem steht das Eigeninteresse der Bank als Wettpartner an einer Gestaltung des Swap-Geschäfts gegenüber, die es ihr ermöglicht, die eigenen Risiken daraus zu möglichst günstigen Konditionen am Markt weiterreichen zu können (also an einem anfänglich möglichst hohen negativen Marktwert als Folge eines möglichst hohen Fixzinssatzes). Dieses Eigeninteresse der Bank geht über das bloße Entgeltsinteresse weit hinaus, weil es die Risikoverteilung des Swap-Geschäfts zu Gunsten der Beklagten betrifft.

Die Gestaltung einer Wette mit ungleichen Startchancen für beide Teilnehmer durch die beklagte Bank begründete im vorliegenden Fall ihrer (zulässigen) Doppelstellung als Berater und Wettpartner der Klägerin einen systemimmanenten, unvermeidbaren Interessenkonflikt in der Person der Beklagten, der der Klägerin nicht offenkundig war. § 35 Abs 5 Satz 1 WAG 2007 verlangt vom Rechtsträger (Bank), die Art und die Ursache dieses Interessenkonflikts offenzulegen, bevor er Geschäfte für den Kunden tätigt. Da die Klägerin über die genannte Besonderheit des von der Beklagten gestalteten und empfohlenen Swap-Geschäfts nicht Bescheid wusste, hätte sie darüber aufgeklärt werden müssen. Daher wurde den gesetzlichen Anforderungen an die dem Kunden zu gebenden Informationen nicht entsprochen.

Die Veröffentlichung im RIS folgt in Kürze.

 
ogh.gv.at | 28.03.2024, 23:03
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/aufklaerungspflicht-ueber-marktwert-beim-zins-swap-geschaeft/)

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