Zum Hauptinhalt
 
 
 
 

Anlegerentschädigung nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz

 
 

Haftung für konzessionswidriges unmittelbares oder mittelbares „Halten“ von Geldern oder Finanzinstrumenten.

Der klagende Verein begehrt mit seiner „Sammelklage“ von der nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) eingerichteten Entschädigungseinrichtung den Ersatz des Schadens, den diverse Anleger aus der Verwaltung ihres Portfolios durch zwei Wertpapierdienstleister erlitten hatten. Die von den Anlegern eingezahlten Gelder wurden an Depotbanken weitergeleitet und sodann in einem ausländischen Fonds veranlagt. Über missbräuchliche Weisungen der Wertpapierdienstleister wurden von den jeweiligen Depotbanken Fondsanteile verkauft, der Erlös jedoch nicht den Kunden gutgeschrieben. Der Vollzug der Anordnungen der Wertpapierdienstleister war darauf zurückzuführen, dass sich diese beim Veranlagungsfonds die Stellung eines Investmentmanagers verschafft hatten. Über das Vermögen der beiden Wertpapierdienstleister wurde das Konkursverfahren eröffnet. Die Anleger erhielten ihr Kapital nicht zurück.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.

Der Oberste Gerichtshof billigte diese Entscheidung. Die besondere Anlegerentschädigung nach §§ 23b ff WAG 1996 (in Umsetzung der Anlegerentschädigungs-Richtlinie 97/9/EG) erfasse nur Wertpapierdienstleister, die die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsmacht im Auftrag des Kunden durchführten. Zweck der Anlegerentschädigung sei es, Anleger vor Betrügereien und vor dem Insolvenzrisiko eines Wertpapierdienstleisters zu schützen. Sie solle Gelder und Instrumente erfassen, die von einem Wertpapierdienstleister für den Anleger gehalten werden, diesem aber nicht mehr zurückgegeben werden könnten. Die Anlegerentschädigung decke nur Ansprüche, die sich aus dem „Halten“ von Geld oder Finanzinstrumenten ergeben. Der Gesetzgeber habe eine Haftung nur für jene Schäden schaffen wollen, die sich aus einem konzessionswidrigen Halten von Geldern oder Finanzinstrumenten (vgl § 20 Abs 1 Z 4 WAG 1996) durch einen Wertpapierdienstleister ergeben. Ein verpöntes unmittelbares „Halten“ durch einen Wertpapierdienstleister liege auch dann vor, wenn dieser zunächst vereinbarungsgemäß vorgenommene Veranlagungen wieder rückgängig mache und im Zuge der Veranlagung geschaffene Finanzinstrumente veräußere und selbst den Erlös vereinnahme, anstelle diese Mittel an die Anleger zurückzuführen. Das „Halten“ beziehe sich in diesem Fall auf das Abziehen von Kundengeldern auf eigene Konten oder die Zuführung an Dritte. Ein ebenfalls haftungsbegründendes (mittelbares) „Halten“ sei dann gegeben, wenn der Wertpapierdienstleister derart (auch faktischen) Einfluss auf einen Dritten nehme, dass Zahlungen nicht widmungsgemäß dem Wertpapierverrechnungskonto der Anleger gutgeschrieben oder an diese abgeführt, sondern einem Dritten zugeführt würden. Die Beweislast dafür, dass nicht alle Kundengelder abhanden gekommen seien, sondern weiterhin ein Zugriff der Anleger darauf bestehe, und ebenso für ohnedies eingetretene Kurs- bzw Wertverluste treffe die Beklagte.

Zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 24.04.2024, 23:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/anlegerentschaedigung-nach-dem-wertpapieraufsichtsgesetz/)

Oberster Gerichtshof  |  Schmerlingplatz 11 , A-1010 Wien  |  Telefon: +43 1 52152 0  |  Telefax: +43 1 52152 3710