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Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank durch den Obersten Gerichtshof

 
 

In einem vom Verein für Konsumenteninformation angestrengten Verbandsklageverfahren war die Berechtigung des gegen eine Bank erhobenen Unterlassungsbegehrens in dritter Instanz noch bei zwei Klauseln strittig.

Erfolgreich war die Klage bei der Klausel: „Zahlungsverzug: Für ausbleibende Zahlungen verrechnen wir Ihnen zusätzlich zum jeweiligen Zinssatz 4,75 % p.a. Überziehungsprovision. Darüber hinaus können wir für von Ihnen verschuldete Schäden Ersatz fordern. Das gilt insbesondere für die Kosten außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen. Voraussetzung: Die Kosten müssen zweckentsprechend sein und in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.“

Der Oberste Gerichtshof führte dazu unter anderem aus:

Nach der Rechtsprechung wird der Vereinbarung von Verzugszinsen mit einem die üblichen Zinsen erheblich übersteigenden Zinssatz der Charakter einer Vertragsstrafe zuerkannt. Dies ist bereits dann der Fall, wenn Zinsen vereinbart werden, die über dem dispositiven Zinssatz liegen. Der dispositive Verzugszinssatz beträgt 4 %, sodass der hier vorliegenden Vereinbarung einer „Überziehungsprovision“ von 4,75 % p.a. für ausbleibende Zahlungen Pönalcharakter zukommt. Damit muss aber der Ersatz von weiteren Schäden in Verbraucherverträgen im Einzelnen ausgehandelt werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Klausel ist damit rechtswidrig.

Keinen Erfolg hatte die Klage bei der Klausel: „Bearbeitungsprovision: EUR 300,00 einmalig, unabhängig von der Laufzeit Ihrer Finanzierung. Das heißt für Sie, dass diese auch bei einer vorzeitigen Rückzahlung Ihrer Finanzierung nicht zurückerstattet wird.“

Der Oberste Gerichtshof hatte zu klären, ob der Abschluss von Verträgen unter Verwendung dieser Klausel vor dem 1. 1. 2021 durch die Beklagte und die feststehende Berufung der Beklagten auf die Klausel gegenüber den Kunden, die bis 11. 9. 2019 Kreditverträge abgeschlossen haben, eine Verletzung von § 16 Abs 1 alte Fassung Verbraucherkreditgesetz (VKrG) darstellen. Er führte dazu unter anderem aus:

Eine richtlinienkonforme Interpretation darf den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen. Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben. Sie kommt allein dann zur Anwendung, wenn das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt. Einen solchen Spielraum eröffnet der bloße Verweis im Allgemeinen Teil der Erläuterungen eines Umsetzungsgesetzes, dieses diene der Umsetzung einer Richtlinie, nicht. Ansonsten wäre bei jeder irrigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Gesetzgeber bei noch so klarem Gesetzeswortlaut und noch so klaren, für den Gesetzeswortlaut sprechenden Gesetzesmaterialien sowie noch so klarem mit der Gesetzesbestimmung verfolgten Zweck grundsätzlich immer eine richtlinienkonforme Interpretation möglich. Solches widerspräche aber der ständigen Rechtsprechung, dass es unzulässig ist, im Wege einer richtlinienkonformen Interpretation den normativen Gehalt der nationalen Regelung grundlegend neu zu bestimmen.

Normativer Gehalt des § 16 Abs 1 alte Fassung VKrG war, dass sich laufzeitunabhängige Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung aufgrund eines Umkehrschlusses aus der Bestimmung nicht reduzieren. Diese völlig klare nationale Gesetzeslage kann nicht allein deshalb, weil mit dem VKrG die Richtlinie 2008/48/EG umgesetzt werden soll und nach der nunmehrigen Rechtsprechung des EuGH die Richtlinie eine Reduktion auch der laufzeitunabhängigen Kosten gebietet, als „lückenhaft“ betrachtet werden. Die Gesetzeslage ist aufgrund der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, die laufzeitunabhängigen Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht zu reduzieren, nicht lückenhaft. Folglich ist eine Rechtsfortbildung durch Analogie ausgeschlossen.

Weil demnach § 16 Abs 1 aF VKrG auch nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lexitor dahin auszulegen ist, dass laufzeitunabhängige Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht zu reduzieren sind, ist eine Verletzung der Gesetzesbestimmung durch die Klausel zu verneinen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 26.04.2024, 23:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/ueberpruefung-von-allgemeinen-geschaeftsbedingungen-einer-bank-durch-den-obersten-gerichtshof/)

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