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Sexueller Missbrauch durch einen römisch-katholischen Pfarrer

 
 

Klärung von Fragen der Verjährung.                                                    .

Der erwachsene Kläger will von einer römisch-katholischen Erzdiözese und einer ihr zugehörigen Pfarre Schadenersatz, weil er in seiner Kindheit und Jugend von einem zwischenzeitig verstorbenen Pfarrer sexuell missbraucht worden sei.

Das Erstgericht schränkte den Verfahrensgegenstand auf die Frage der Verjährung ein und wies die Klage aus diesem Grund ab.

Das Berufungsgericht bestätigte zwar, dass gegenüber der Pfarre Verjährung eingetreten sei, fällte jedoch hinsichtlich der Erzdiözese ein Zwischenurteil, in dem es aussprach, dass die Ansprüche ihr gegenüber nicht verjährt seien.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts und führte unter anderem aus, dass die „lange“, dreißigjährige Verjährungsfrist bei Schadenersatz wegen sexuellen Missbrauchs nur gegenüber dem unmittelbaren Täter, nicht aber dann anzuwenden ist, wenn – wie hier – juristische Personen für die Taten einer natürlichen Person in Anspruch genommen werden. Die in der jüngeren Rechtsprechung angesprochene Anwendung der „langen“ Verjährungsfrist kommt hier nicht zu tragen, weil ein Eigenhandeln der juristischen Person durch Begehung eines Sexualdelikts nicht denkbar und dadurch ein wirtschaftlicher Erfolg im Vermögen der juristischen Person nicht eingetreten ist und auch nicht eintreten sollte. Die „kurze“ dreijährige Verjährungsfrist gegenüber der Pfarre war im Zeitpunkt der Klagserhebung bereits abgelaufen.

Gegenüber der Erzdiözese wurde der Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist aber vorerst dadurch gehemmt, dass sie den Kläger auf ein – im Fall des Klägers lange andauerndes – Clearing-Verfahren bei der Unabhängigen Opferschutzkommission der Katholischen Kirche in Österreich („Klasnic-Kommission“) verwies. In der Folge wurden dem Kläger als anerkanntes Opfer finanzielle Hilfe von 35.000 EUR und der Ersatz von Therapiekosten im Ausmaß von 150 Stunden zuerkannt. Obwohl der Kläger dies zunächst auf sich beruhen ließ und erst nach längerem Zuwarten nach Wegfall der Hemmung von der Erzdiözese außergerichtlich weitere Beträge einforderte, verneinte der Oberste Gerichtshof dieser gegenüber die Verjährung, weil ihr zuzurechnende Zusagen, weiterhin Therapiekosten zu übernehmen und weitere Sachverhaltserhebungen anzustellen, als Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede zu werten sind.

Im weiteren Verfahren muss nun das Erstgericht klären, ob – wie vom Kläger behauptet – die Erzdiözese von den kriminellen Neigungen des Pfarrers wusste und sie dem Kläger deshalb für den dadurch eingetretenen Schaden nach § 1315 ABGB haftet.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 29.03.2024, 15:03
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/sexueller-missbrauch-durch-einen-roemisch-katholischen-pfarrer/)

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