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Schlehdornhecke an der Grundgrenze

 
 

Der OGH bleibt bei seiner bisherigen Rechtsprechung, dass ein Grundeigentümer das Herüberwachsen von Ästen und Wurzeln vom Nachbargrundstück entweder dulden oder diesem Vorgang durch eigene Maßnahmen entgegentreten muss. Nur unter strengen Voraussetzungen – wenn eine so genannte „unmittelbare Zuleitung“ (§ 364 Abs 2 Satz 2 ABGB) vorliegt – gewährt ihm der OGH einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen den Nachbarn.

Die beiden Kläger sind Eigentümer eines Gartengrundstücks in der Nähe eines Flusskraftwerks in Oberösterreich. Im Zuge des Kraftwerksbaus wurde – entsprechend dem Bewilligungsbescheid – auf einem Grundstück, das einer Gemeinde gehört, eine Hecke aus Wildsträuchern gepflanzt, darunter auch Schlehdorn. Diese Hecke steht an der Grenze hin zum Grundstück der Kläger. Sie ist mittlerweile 3 -4 m hoch. Speziell mit dem Schlehdorn haben die Kläger ein Problem: Zum einen kommt es zu einem starken Überhang auf ihr Grundstück. Zum anderen bildet der Schlehdorn Wurzelausläufer, die sich auf ihrem Grundstück ausbreiten und kaum zu bekämpfen sind. Sie sind nämlich nicht durch einfache Selbsthilfemaßnahmen wie Abhacken oder Ausgraben entfernbar, weil sie genetisch bedingt nachwachsen.

Mit ihrer Klage wollen die Kläger erreichen, dass die Gemeinde den Schlehdornbewuchs durch baumpflegerische Maßnahmen unterlässt, den bestehenden Bewuchs einschließlich der Jungtriebe auf ihrem Grundstück entfernt und anschließend die Rasenfläche rekultiviert.

Das Gericht erster Instanz wies die Klage ab: Die Schlehdornhecke sei Teil der behördlich genehmigten Kraftwerksanlage. Außerdem sei eine Hecke mit Schlehdorn ortsüblich.

Das von den Klägern angerufene Berufungsgericht änderte das Urteil der ersten Instanz ab und gab dem Klagebegehren statt: Es liege eine unzulässige „unmittelbare Zuleitung“ (§ 364 Abs 2 Satz 2 ABGB) vor, die jedenfalls zu unterlassen und zu beseitigen sei.

Der Oberste Gerichtshof wiederum gab der Revision der Gemeinde Folge.

Der Gerichtshof differenzierte zwischen dem Überhang und den Wurzelausläufern. Zum Überhang: Nach der Grundregel des § 422 ZPO muss der Eigentümer eines Grundstücks den vom Nachbargrundstück herüberwachsenden Überhang entweder hinnehmen oder selbst entfernen. Eine konkrete Gefahr des Eintritts von Personen- oder Sachschäden besteht durch den Überhang nicht.

Betreffend die Wurzeltriebe verwies der OGH auf seine bisherige Rechtsprechung zum Begriff der „unmittelbaren Zuleitung“ (§ 364 Abs 2 Satz 2 ABGB): Grundsätzlich kann das Herüberwachsen von Ästen und Wurzeln über die Grundgrenze nicht untersagt werden. Seit dem Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 qualifiziert der OGH allerdings „hereinragende“ Pflanzen ausnahmsweise als eine so genannte unmittelbare Zuleitung, die einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung begründet. Die strengen Voraussetzungen dafür sind, dass es entweder durch Pflanzenteile zu einem gefährlichen Zustand kommt oder dass die Beeinträchtigung die ortsübliche Benützung (hier des Grundstücks der Kläger) unzumutbar macht. Um den Gleichklang mit § 422 ABGB zu wahren, muss der gefährdende Zustand in erster Linie vom Eigentümer des betroffenen Grundstücks beseitigt werden, sofern dies leicht und einfach möglich ist. Zu all diesen Punkten haben die Vorinstanzen allerdings keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 26.04.2024, 05:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/schlehdornhecke-an-der-grundgrenze/)

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