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Schadenersatzpflicht eines Schweinezuchtbetriebs gegenüber dem Betreuungstierarzt

 
 

Die der Tiergesundheitsdienst-Verordnung unterliegenden Tierhalter dürfen nach der Verordnung Arzneimittel nur von ihrem Betreuungstierarzt oder auf dessen Verschreibung über eine öffentliche Apotheke beziehen. Kauft ein solcher Tierhalter für seinen Zuchtbetrieb bei einem Dritten Tierarzneien, so hat er dem Betreuungstierarzt den diesem dadurch entgangenen Gewinn zu ersetzen.

Der Kläger und der Beklagte schlossen 2008 einen Betreuungsvertrag nach der Tiergesundheitsdienst-Verordnung ab. Aufgrund dessen war der Kläger Betreuungstierarzt des Schweinezuchtbetriebs des Beklagten. Im Vertrag verpflichten sich beide, die Bestimmungen der Verordnung einzuhalten. Der Kläger stellte dem Beklagten die Medikamente für die Eigenverabreichung an seine Schweine zur Verfügung. Ab November 2017 bezog der Beklagte die Medikamente von einem Dritten.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage vom Beklagten 8.092,89 EUR samt Zinsen. Aufgrund des Betreuungsvertrages sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die Medikamente zur Eigenverabreichung ausschließlich von ihm zu beziehen. Diese Verpflichtung habe der Beklagte von November 2017 bis zum Vertragsende verletzt. Dadurch sei dem Kläger der geltend gemachte Schaden in Form von entgangenem Gewinn entstanden.

Der Oberste Gerichtshof entschied, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht. Er führte unter anderem aus:

Nur die Teilnahme am Tiergesundheitsdienst ermöglicht einem Nutztierhalter, auch außerhalb eines konkreten Behandlungsvertrages legal Tierarzneien ausgehändigt zu bekommen und sie seinen Tieren verabreichen zu können. Möchte ein Tierhalter am Tiergesundheitsdienst teilnehmen, so muss er sich in einem „Teilnahmevertrag“ zur Einhaltung der in der Tiergesundheitsdienst-Verordnung für Tierhalter vorgesehenen Pflichten und Anforderungen verpflichten. Entsprechendes gilt für Tierärzte. Die Verordnung verlangt zudem, dass der zwischen dem Tierhalter und dem Tierarzt geschlossene Betreuungsvertrag eine Verpflichtung der Vertragspartner zur Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung enthält. Soweit die Verordnung den Tierhaltern und Tierärzten Pflichten auferlegt, gelten diese damit auch aufgrund des Betreuungsvertrages. Die Einhaltung der in der Verordnung für Tierhalter und Tierärzte vorgesehenen Pflichten wird damit auch dem Vertragspartner des Betreuungsvertrages geschuldet.

Nach der Verordnung ist es nur einem Tierarzt mit Hausapotheke möglich, Betreuungstierarzt zu sein. Zumal die ärztliche Hausapotheke nur der Effektuierung der eigenen tierärztlichen Tätigkeit des Apothekeninhabers dient, geht der Verordnungsgeber erkennbar davon aus, dass es der Betreuungstierarzt ist, der seinem Vertragspartner die Tierarzneien verkauft. Dass der Tierhalter primär von seinem Betreuungstierarzt die von ihm selbst den Tieren zu verabreichenden Arzneien bezieht und er nur bei Fehlen der Arzneien in der Hausapotheke des Tierarztes ein Rezept ausgestellt erhält, lässt keine Gefahr einer finanziellen Ausnützung dieser Situation durch den Tierarzt erwarten. Demgegenüber ist das Führen einer Hausapotheke mit Kosten verbunden. Der Tierarzt hat damit ein legitimes Interesse, dass die Arzneien für den von ihm betreuten Nutztierbetrieb soweit in seiner Hausapotheke vorrätig bei ihm selbst bezogen werden.

Dass sich der Tierhalter im Betreuungsvertrag gegenüber dem Betreuungstierarzt zur Einhaltung der Anforderungen der Verordnung und damit insbesondere dazu verpflichten muss, die eigens verabreichten Arzneien ausschließlich beim Betreuungstierarzt zu beziehen, ist nur dann verständlich, wenn auch dessen Interessen in den Schutzbereich des Betreuungsvertrages fallen. Nach dem Sinn und Zweck des Betreuungsvertrages sind für den Tierhalter von vornherein erkennbar auch die aus der Verletzung der Bezugsregelung beeinträchtigten Vermögensinteressen des Tierarztes in den vertraglichen Schutzbereich einbezogen.

Die mangels Durchführung eines entsprechenden Beweisverfahrens noch nicht mögliche Entscheidung über die Höhe des Anspruchs, nämlich ob dem Kläger überhaupt und wenn ja in welchem Betrag ein Schaden entstand (Gewinn entging), ist dem Erstgericht nach Ergänzung des Verfahrens vorbehalten.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 25.04.2024, 15:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/schadenersatzpflicht-eines-schweinezuchtbetriebs-gegenueber-dem-betreuungstierarzt/)

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