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Kein Liebhaberwert für eine Sichtschutzhecke

 
 

Der Ersatz des Werts der besonderen Vorliebe soll keine Entschädigung dafür bieten, dass die Sache zeitweise nicht in ordnungsgemäßem Zustand war, eine zurückgeschnittene Hecke also für einen Zeitraum nicht denselben Sichtschutz bot. Für eine zerstörte Sichtschutzhecke besteht kein Anspruch auf ideellen Schadenersatz.

Die Beklagte und die Klägerin sind Nachbarn. Die Beklagte schnitt die entlang der Grundstücksgrenze verlaufende, aber zur Gänze auf deren Grund verwurzelte und vor 65 Jahren gesetzte Hecke der Klägerin im Frühjahr 2016 von ca 7 m auf 2 bis 2,3 m zurück. Der Schnitt erfolgte über die Länge der gesamten Hecke (ca 22 m), obwohl die Beklagte dazu aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Streitteilen nur für ein kurzes Teilstück berechtigt war, und nicht fachgerecht. Die Hecke war nach ungefähr 9 Monaten nach dem Rückschnitt auf eine Höhe von 4,8 bis 5 m nachgewachsen und wies bereits nach 18 Monate wieder die gleiche Dichte wie vorher und eine Höhe von 6,2 m auf. Bei fachgerechter Pflege und konischem Schnitt werden die Heckensträucher – wenn die großen Schnittstellen an den Ästen nicht faulen und nicht vom Pilz befallen werden – im Spätherbst 2019 wieder den Zustand erreicht haben, wie er vor dem Rückschnitt bestand.

Die Vorinstanzen gewährten keinen ideellen Schadenersatz als Abgeltung des von der Klägerin (auch) geltend gemachten Werts der besonderen Vorliebe.

Der Oberste Gerichtshof teilte die Auffassung der Vorinstanzen, dass – ungeachtet der Frage, ob die Beklagte überhaupt mit einem besonders qualifizierten Vorsatz gehandelt hatte – der Klägerin kein solcher Liebhaberwert zusteht. Die Höhe von 7 m vor dem Rückschnitt hatte die Hecke nicht schon seit Jahrzehnten, sondern erst seit rund fünf bis zehn Jahren erreicht und stand der Klägerin, die das Haus nur in dieser Zeit nutzt, nur wenige Sommer zur Verfügung. Eine im Gesetz geforderte enge Gefühlsbeziehung zur Hecke lässt sich aus ihrem Vorbringen nicht ableiten. Mag auch eine (innere) gefühlsmäßige Bindung zu einer Sache in manchen Fällen (etwa bei einem unwiederbringlichen Erbstück) eine nachvollziehbare „besondere“ Vorliebe  begründen, geht es hier bloß um die Funktion der Hecke als Sichtschutz, also um ihren gewöhnlichen „Gebrauch“. Bezieht das behauptete „Liebhaberinteresse“ auf den vorübergehenden Verlust der Funktion (also auf ein „allgemeines“ bzw übliches Interesse an) der Sache („bloßer Sachgebrauchsverlust“), ist kein ideeller Ersatz zuzuerkennen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 26.04.2024, 01:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/kein-liebhaberwert-fuer-eine-sichtschutzhecke/)

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