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Erwerb von Anlageprodukten mit Bitcoins und Verbrauchergerichtsstand

 
 

Werden Anlageprodukte, die (nur) mit Bitcoins erworben werden können, in Deutschland beworben und vertrieben, bewirkt der Erwerb durch eine in Deutschland wohnhafte Verbraucherin, dass sie nur in ihrem Wohnsitzstaat geklagt werden kann.

Ein Bevollmächtigter des in Österreich ansässigen Klägers suchte die Beklagte im Dezember 2016 in ihrer Wohnung in Deutschland auf. Die Beklagte wollte „privat“ in Anlageprodukte von Unternehmen investieren, an denen der Kläger beteiligt ist und die nur gegen Bitcoins erworben werden können. Der Bevollmächtigte des Klägers führte einen Bitcoinautomaten mit, um der Beklagten die Umwechslung von Euro in Bitcoins zu ermöglichen. Weil dieser Automat erfahrungsgemäß nicht immer funktionsfähig ist, hatte der Bevollmächtigte des Klägers auch dessen Handy mit. Nachdem der Bitcoinautomat tatsächlich nicht funktionierte, erklärte sich der Kläger nach telefonischer Rücksprache bereit, der Beklagten die für den Erwerb der Anlagen erforderlichen Bitcoins dadurch zur Verfügung zu stellen, dass er von der „Wallet“ seines Handys die erforderliche Menge an Bitcoins (unter Nutzung des nur dem Kläger bekannten Codes) direkt an die Anlageunternehmen überwies. Die Beklagte verpflichtet sich ihrerseits zur Rückerstattung auf das „Wallet“ des Klägers längstens binnen einem Monat.

Der Kläger begehrt nun bei seinem in Österreich gelegenen Wohnsitzgericht die Rückerstattung der Bitcoins von der Beklagten. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen österreichischen Gerichts gründete der Kläger darauf, dass sein auf seinem Handy befindliches „Wallet“ und damit auch der Erfüllungsort für die von der Beklagten übernommene Verpflichtung nach der anzuwendenden Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO) in Österreich liege. Die Beklagte wendete die fehlende internationale Zuständigkeit Österreichs ein.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte im Ergebnis die Entscheidungen der Vorinstanzen, die die Klage zurückgewiesen hatten: Im Verfahren war letztlich nicht strittig, dass der Kläger und seine Geschäftspartner ein auf Deutschland ausgerichtetes System des Vertriebs der Anlageprodukte etablierten und potentielle Kunden in Deutschland aufsuchten und die Produkte präsentierten, also unternehmerisch handelten, wobei die Finanzierung entweder durch Bitcoinautomaten oder dadurch erfolgte, dass der Kläger die Bitcoins – wie auch im zu entscheidenden Fall – vorfinanzierte. Die Beklagte hingegen, die nur „privat“ investieren wollte, ist als Verbraucherin zu behandeln. Es kommt daher der vorrangig zu prüfende Verbrauchergerichtsstand der EuGVVO zur Anwendung, nach dessen Inhalt ein Verbraucher nur vor den Gerichten jenes Mitgliedsstaats geklagt werden kann, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte ist im Hinblick auf den Wohnsitz der Beklagten in Deutschland nicht gegeben.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 26.04.2024, 20:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/erwerb-von-anlageprodukten-mit-bitcoins-und-verbrauchergerichtsstand/)

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