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Dauerdelikt und fortgesetzte Eheverfehlung

 
 

Der Besitz von kinderpornographischem Material muss nicht als fortgesetzte Eheverfehlung zu beurteilen sein.

Die Klägerin beantragt die Scheidung der Ehe mit dem Beklagten aus dessen Alleinverschulden. Er pflege eine außereheliche Beziehung mit einer jüngeren Frau. Überdies habe die Klägerin eine umfassende Lichtbildsammlung des Beklagten mit Fotos nackter und teilweiser sehr junger Mädchen gefunden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Scheidungsklage. Er habe zu keinem Zeitpunkt eine außereheliche Beziehung unterhalten und die Lichtbildsammlung habe er seit 15 Jahren offen zugänglich aufbewahrt.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu irgendeinem Zeitpunkt eine intime Beziehung zu einer fremden Frau oder ohne Wissen seiner Gattin auch nur ein intensiveres freundschaftliches Verhältnis zu einer der Klägerin nicht bekannten Person unterhalten habe. Der Beklagte verschaffte sich zu nicht feststellbaren Zeitpunkten bis 2018 pornographische Darstellungen von teils unmündigen Mädchen. Die Klägerin fand diese Fotos Ende 2018. Der Beklagte wurde daraufhin vom Strafgericht wegen Verschaffens oder Besitzens pornographischer Darstellungen Minderjähriger zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die Klägerin brachte die Scheidungsklage erst im November 2019 ein, wobei sie den Scheidungsgrund der Kinderpornographie mit Schriftsatz vom Jänner 2020 aufgriff. Die Vorinstanzen erachteten die Geltendmachung dieses Scheidungsgrunds aufgrund der Überschreitung der gesetzlichen 6-Monats-Frist als verspätet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge und bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen.

Der Besitz von kinderpornographischem Material ist zwar als ehrloses oder unsittliches Verhalten ein Scheidungsgrund. Wenn es sich dabei im strafrechtlichen Sinn um ein Dauerdelikt handeln mag, so muss es sich aber deswegen nicht „automatisch“ um eine fortgesetzte Eheverfehlung handeln, denn durch den bloßen Besitz werden nicht stets neue Handlungen gesetzt, die entweder einzeln geltend gemacht werden können oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass sie als schwere Eheverfehlung anzusehen sind. Im vorliegenden Fall wurden zwischen der Entdeckung der Fotos durch die Klägerin und der Scheidungsklage keine tatsächlichen ehewidrigen Handlungen des Beklagten festgestellt. Die 6-Monats-Frist wurde mit der Kenntnis des Scheidungsgrunds durch die Klägerin ausgelöst. Diese erfolgte hier Ende 2018; die Geltendmachung des Scheidungsgrunds im Jänner 2020 liegt daher deutlich nach Ablauf der Frist. Die ratio der Fristenregelung liegt darin, dass zwar dem Ehepartner, dem eine Eheverfehlung des anderen bekannt wird, eine Überlegungsfrist zugestanden werden soll; gleichzeitig soll sich dieser Ehepartner aber Eheverfehlungen des anderen nicht „aufsparen“ können, um sie später zu einem für ihn günstigen Zeitpunkt geltend zu machen.

Zum Volltext im RIS.

 
ogh.gv.at | 26.04.2024, 09:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/dauerdelikt-und-fortgesetzte-eheverfehlung/)

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