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Bei einem Schiunfall kommt es auf das Fahrvermögen des Schifahrers an

 
 

Den Betreiber eines Schirennens oder eines Renntrainings trifft eine erhöhte Pflicht zur Gefahrenabwehr, der Betreiber einer Schipiste für das allgemeine Publikum hat aber nur Schutzmaßnahmen vor atypischen Gefahren zu ergreifen.

Der zum Unfallszeitpunkt 18-jährige Kläger gehörte in der Wintersaison 2010/2011 dem Jugendkader „Schi-alpin“ des erstbeklagten Landes-Schiverbands an. Er war gleichzeitig Schüler eines Schigymnasiums in Tirol. Laut Lehrplan des Gymnasiums handelt es sich beim „Hochleistungstraining“, das für Kaderläufer von einem Trainer des erstbeklagten Schiverbands durchgeführt wurde, um einen zu benotenden Pflichtgegenstand. Die Zweitbeklagte ist Betreiberin eines Schigebiets in Tirol. Am 22. 2. 2011 kam der Kläger beim Hochleistungstraining zu Sturz und prallte gegen eine Pistenbegrenzungspfosten. Die Piste war vom Trainer zu sperren, der auch den Riesentorlaufkurs setzte. Der Lauf war im unteren Flachstück im leichten Gelände eher gerade und technisch anspruchslos ausgesteckt.

Der Kläger begehrte vor allem Schmerzengeld.

Das Erstgericht und das Berufungsgericht wiesen das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof billigte – im Ergebnis – diese Entscheidung und führte aus: Der Pistenbetreiber bzw Pistenhalter ist zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen dann verpflichtet, wenn den Schifahrern atypische, also solche Gefahren drohen, die unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Schifahrer unerwartet oder schwer abwendbar sind. Dies ist bei Hindernissen der Fall, die der Schifahrer nicht ohne weiteres erkennen kann.
Im Anlassfall hat die Zweitbeklagte dem erstbeklagten Schiverband bzw dem Schigymnasium nur die Piste zum Renntraining zur Verfügung gestellt und diese präpariert. Dieser Umstand legt dem Pistenbetreiber aber keine besonderen Sicherungsverpflichtungen im Hinblick auf die von einem Dritten (erstbeklagter Schiverband) betriebene Trainingsstrecke auf.

Der erstbeklagte Schiverband hat das Renntraining organisiert und durchgeführt. Er war daher Veranstalter bzw Betreiber dieses professionellen Renntrainings. Aufgrund der im Wettkampfsport immanenten erhöhten Gefahren trifft den Betreiber solcher Wettkampfveranstaltungen und gleichermaßen auch jenen von Trainingsveranstaltungen eine erhöhte Pflicht zur Gefahrenabwehr. Er muss nicht nur jeder (ex ante) erdenkbaren Gefahr begegnen, sondern auch solche zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen treffen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren. Gleichzeitig ist allerdings zu berücksichtigen, dass Stürze und Fahrfehler beim Schifahren nicht ausgeschlossen werden können. Maßgebend ist auch, ob und inwieweit der Schifahrer selbst in der Lage ist, einer Unfallgefahr zu begegnen.
Im Anlassfall war der 18- jährige Kläger ein Kaderläufer; der Unfall ereignete sich bei einem professionellen Renntraining. Im Unfallbereich war die Piste ungefährlich und flach; der Lauf war in diesem Bereich anspruchslos und erforderte kaum eine Richtungsänderung. Davon ausgehend war das Unfallgeschehen bei objektiver Betrachtung nicht zu erwarten. Aufgrund des besonderen Fahrvermögens des Klägers wäre zu erwarten gewesen, dass er rechtzeitig vor dem Holzpfosten anhalten oder diesem ausweichen kann.

Beide beklagte Parteien trifft daher keine Haftung.

Zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 29.03.2024, 02:03
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/bei-einem-schiunfall-kommt-es-auf-das-fahrvermoegen-des-schifahrers-an/)

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