Zum Hauptinhalt
 
 
 
 

Zur Haftung eines Tourismusverbandes für eine Falschauskunft im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

 
 

Ein Tourismusverband ist keine selbstlose Einrichtung; er dient in hohem Maße den wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder und den Interessen der (zukünftigen) Gäste an einem gelungenen Urlaubserlebnis. Die Beantwortung von Fragen potenzieller Touristen zur Lage vor Ort – insbesondere zu allfälligen Beeinträchtigungen durch Epidemien – gehört zu seinem gesetzlich vorgegebenen Tätigkeitsbereich. Er haftet daher für eine Falschauskunft seiner Mitarbeiter.

Der (in Deutschland wohnhafte) Kläger, der einen Skiurlaub in einem Tiroler Skigebiet gebucht hatte, erkundigte sich am 6.3.2020 telefonisch bei einem Mitarbeiter des beklagten Tourismusverbandes über die Corona-Lage vor Ort. Dabei wurde ihm versichert, dass alles in Ordnung sei und er unbesorgt anreisen könne. Es gebe aktuell keine bekannten positiven Fälle und keine Einschränkungen, es bestehe keine Infektionsgefahr, wobei sinngemäß auf eine Pressemitteilung des Landes Tirol vom 5.3.2020 verwiesen wurde. Aufgrund dieser Auskunft ging der Kläger davon aus, dass die isländische Einstufung des Tourismusorts als Risikogebiet eine Falschnachricht sei. Am 7.3.2020 trat er – wie geplant – seinen Urlaub an. Während seines Aufenthalts fuhr er jeden Tag Ski und besuchte danach drei verschiedene Aprés-Ski-Lokale. Am Tag nach seiner Rückkehr am 11.3.2020 entwickelte er erste Symptome von COVID-19 und wurde noch am selben Tag positiv auf das Virus getestet.

Er begehrt Schadenersatz für die Folgen seiner Erkrankung, weil ihm der beklagte Tourismusverband wahrheitswidrig versichert habe, dass vor Ort keine Gefahr bestünde, worauf er vertraut habe. Bei korrekter Aufklärung wäre er nicht angereist und hätte sich auch nicht mit SARS-CoV-2 infiziert.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
Die dem Kläger erteilte Auskunft ging über den Inhalt der –  vorsichtig und vage formulierten – Pressemitteilung vom 5.3.2020 hinaus, weil der Mitarbeiter des Tourismusverbandes dem Kläger am Telefon versicherte, dass alles in Ordnung sei, er unbesorgt anreisen könne und keine Infektionsgefahr bestehe. Diese Beschwichtigung, dass vor Ort keine Gefahr bestehe, ließ sich der Medienmitteilung aber gerade nicht entnehmen. Die Auskunft erweckte den unzutreffenden Eindruck einer völligen Gefahrlosigkeit am Urlaubsort und ließ damit die aufgrund der unklaren und unbeständigen Situation in der Anfangsphase der Pandemie gebotene Vorsicht und Zurückhaltung außer Acht. Das Verschulden des Mitarbeiters des Tourismusverbandes an der falschen Auskunft ergibt sich schon daraus, dass die Abschwächung der in der Medienmitteilung zum Ausdruck gebrachten Unsicherheiten auch nicht durch eine Weisung des Tourismusverbandes gedeckt war, an Gäste nur die Medieninformationen des Landes Tirol weiterzugeben. Die Haftung des Tourismusverbandes kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden, weil Feststellungen dazu fehlen, ob der Kläger bei korrekter Aufklärung über die mit der Pandemie verbundenen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten seinen Skiurlaub –  wie behauptet  – nicht angetreten hätte.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 30.04.2025, 08:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/zur-haftung-eines-tourismusverbandes-fuer-eine-falschauskunft-im-zusammenhang-mit-der-corona-pandemie/)

Oberster Gerichtshof  |  Schmerlingplatz 11 , A-1010 Wien  |  Telefon: +43 1 52152 0  |  Telefax: +43 1 52152 3710