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Wie fest sind Festpreise?

 
 

Die Klägerin, die im Stahlhandel tätig ist, wurde vom beklagten Bauunternehmen im Jahr 2020 mit der Lieferung und Verlegung von Bewehrungsstahl für den Bau einer Wohnhausanlage beauftragt.
Sie begehrt mit ihrer Klage zusätzliches Entgelt aufgrund von erhöhten Einkaufspreisen. Nach Vertragsabschluss sei es aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 zu einer Verknappung des Baustahls am Weltmarkt gekommen. Die Folgen seien weit über die bereits bekannten und kalkulierbaren „Turbulenzen“ am Stahlmarkt hinausgegangen und hätten zu exorbitanten Preissteigerungen bis teilweise rund 200 % geführt. Da es sich dabei um ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis gehandelt habe, und die Parteien im Werkvertrag die Anwendung der ÖNORM B 2110 (idF 2013) vereinbart hätten, bestünde eine Möglichkeit zur Vertragsanpassung. Pkt 7.2.1 der ÖNORM B 2110 weise das Risiko der höheren Gewalt zur Gänze dem Auftraggeber zu.

Die Beklagte berief sich im Wesentlich darauf, dass die Klägerin in ihrem Anbot „Festpreise bis Bauzeitende“ zugesagt habe und sich auch ihr Leistungsumfang nicht geändert habe, was jedoch Voraussetzung für das Preisanpassungsrecht nach der ÖNORM B 2110 sei.

Der Oberste Gerichtshof stellte das klagsabweisende Ersturteil wieder her und folgte dabei im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten.
Das Anbot der Klägerin muss nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 914 ABGB ausgelegt werden und ist hier so zu verstehen, dass Festpreise im Gegensatz zu veränderlichen Preisen (iSd Pkt 6.3.1.1 der ÖNORM B 2110) angeboten wurden, aber eine Anpassung des Entgelts iSd Pkt 7 der ÖNORM B 2110 nicht generell ausgeschlossen ist. Das Recht des Auftragnehmers, das Entgelt gemäß Pkt 7 der ÖNORM B 2110 (idF 2013) anzupassen, setzt jedoch eine „Leistungsabweichung“ voraus, für die auf die Definitionen in Pkt 3.7 und 3.8 der ÖNORM B 2110 zurückzugreifen ist. Liegt keine vom Auftraggeber angeordnete Leistungsänderung vor, muss es sich um eine Veränderung des Leistungsumfangs durch eine Störung der Leistungserbringung handeln. Diese Störung darf nicht aus der Sphäre des Auftragnehmers stammen und muss sich auf den zwischen den Parteien vereinbarten Leistungsumfang einschließlich der Ausführungsbedingungen beziehen, wie sie sich insbesondere aus der Ausschreibung ergeben. Anders gewendet: Pkt 7 der ÖNORM B 2110 gewährt einen Anspruch auf zusätzliches Entgelt gegenüber dem Auftraggeber, nicht auf höheres.
Eine reine Preiserhöhung ohne Leistungsänderung im Verhältnis zwischen den Parteien des Werkvertrags, wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird, ist von Pkt 7 der ÖNORM B 2110 sohin nicht gedeckt. Davon zu unterscheiden sind insbesondere Störungen im Bauablauf, wie sie etwa durch Covid-19-Schutzmaßnahmen hervorgerufen wurden und Gegenstand der Entscheidung 6 Ob 136/22a waren.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 30.12.2025, 12:12
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/wie-fest-sind-festpreise/)

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