Vertragsstrafe und Rücktrittsrecht des Insolvenzverwalters
Wird mit einer Vertragsstrafenvereinbarung dem Insolvenzverwalter wirtschaftlich oder rechtlich erschwert, vom Vertrag nach § 21 IO zurückzutreten, so ist die Vereinbarung unwirksam.
Die Schuldnerin war von der Klägerin mit Bauprojekten in Polen beauftragt worden. Für den Fall eines Rücktritts vom Vertrag aus von der Schuldnerin zu vertretenden Gründen war jeweils unter anderem eine Vertragsstrafe in Höhe von 10 % des jeweiligen Vertragsbetrags vereinbart.
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Zudem bestellte das Insolvenzgericht eine Rechtsanwältin zur besonderen Verwalterin für die Verwaltung der ausländischen Niederlassungen der Schuldnerin.
Mit Schreiben vom 21. 6. 2013 erklärte die Klägerin gegenüber der Schuldnerin ihren Rücktritt von den Bauverträgen „aus Gründen, die der Auftragnehmer zu verantworten hat“.
Die besondere Verwalterin trat mit Schreiben vom 1. 7. 2013 nach § 21 IO von den Verträgen zurück. Sie erlangte von der Existenz der Vertragskündigungsschreiben der Klägerin vom 21. 6. 2013 erstmals mit Schreiben vom 11. 7. 2013 Kenntnis. Zum Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens hatte sie bereits selbst mit Schreiben vom 1. 7. 2013 den Vertragsrückritt gegenüber der Klägerin gemäß § 21 IO erklärt. Im Schreiben vom 11. 7. 2013 wurde bestätigt, dass das Rücktrittschreiben der besonderen Verwalterin vom 1. 7. 2013 der Klägerin bereits zugegangen war.
Die Vorinstanzen wiesen die auf Feststellung, dass der Klägerin in Höhe der jeweils vorgesehenen Vertragsstrafe eine Insolvenzforderung zustehe, gerichtete Klage ab.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Klageabweisung und führte unter anderem aus:
Gemäß § 25b IO können sich die Vertragsteile auf Vereinbarungen, wodurch die Anwendung der §§ 21 bis 25a IO im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird, nicht berufen. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung im Sinne dieser Vorschrift liegt nach der Rechtsprechung bereits vor, wenn dem Insolvenzverwalter (im vorliegenden Fall: der besonderen Verwalterin) die Ausübung eines ihm in den §§ 21 ff IO eingeräumten Rechts auch nur – sei es rechtlich, sei es wirtschaftlich – erschwert wird.
§ 25b IO ist jedenfalls erfüllt, wenn der bloße Umstand, dass der Insolvenzverwalter sich zur Ausübung des ihm nach § 21 IO offenstehenden Rücktritts entschließt, zur Grundlage einer Pönalforderung gegen ihn gemacht wird.
§ 25b IO steht einer Auslegung der gegenständlichen Vertragsstrafeklausel dahin, dass sie auch für einen vom Insolvenzverwalter bzw hier von der besonderen Verwalterin erklärten Vertragsrücktritt gelte, entgegen. Der Vertragsrücktritt der besonderen Verwalterin nach § 21 IO vermochte daher nicht die vereinbarte Vertragsstrafe von 10 % auszulösen.
Als der Rücktritt der Klägerin mit Schreiben vom 21. 6. 2013 der besonderen Verwalterin zuging, war deren Rücktrittserklärung bereits durch Zugang an die Klägerin wirksam geworden und befand sich damit die Schuldnerin jedenfalls nicht mehr in Verzug. Damit ist der von der Klägerin erklärte Rücktritt nicht wirksam erfolgt. Aus ihm kann damit auch keine Vertragsstrafe abgeleitet werden.