Tiefgarage als Gegenstand von „Kellereigentum“
Die Begründung von Kellereigentum nach § 300 ABGB setzt nicht voraus, dass die – unter der Oberfläche einer Liegenschaft befindlichen, nicht als Fundament eines Gebäudes dienenden – (Räume oder) Bauwerke als solche nach allen Seiten baulich abgeschlossen sind.
Räume und Bauwerke, die sich unter der Oberfläche einer Liegenschaft befinden und nicht als Fundament eines Gebäudes dienen, können gemäß § 300 ABGB als selbstständige unbewegliche Sachen gesehen und als eigene Grundbuchskörper behandelt werden. (Weitere) Voraussetzung für die Sonderrechtsfähigkeit derartiger Räume und Bauwerke ist nach der Rechtsprechung des OGH, dass diese – von bloßen Hilfseinrichtungen wie Be- und Entlüftungsschächten abgesehen – nicht über die Oberfläche des Grundstücks hinausragen. Auch an Tiefgaragen kann solches „Kellereigentum“ begründet werden.
Ist ein unterirdisches Bauwerk, an dem Kellereigentum begründet werden soll, erst nach Grundbuchanlegung entstanden, so ist zum Zweck der Verbücherung das Verfahren zur Richtigstellung des Grundbuchs nach den Bestimmungen des AllgGAG einzuleiten.
Die Erstantragstellerin errichtete in den Jahren 2020 bis 2022 auf ihrer eigenen Liegenschaft und unter der Oberfläche der Liegenschaft der Zweitantragstellerin eine zweigeschossige Tiefgarage, wobei der Grenzverlauf in beiden Etagen lediglich durch neongelbe Bodenmarkierungen gekennzeichnet wurde.
Die Antragstellerinnen beantragten die Einbücherung dieser unter der Oberfläche der Liegenschaft der Zweitantragstellerin gelegenen Tiefgarage und die Einverleibung des Kellereigentums.
Das zur Entscheidung zuständige Oberlandesgericht lehnte die begehrte Durchführung eines Einbücherungsverfahrens mit der Begründung ab, dass es sichl um keine abgeschlossene Räumlichkeit bzw um kein abgeschlossenes Bauwerk handle.
Der OGH hob diesen Beschluss auf und trug dem Oberlandesgericht die Entscheidung über die Unterlassung oder Einleitung dieses Verfahrens auf.
§ 300 ABGB fordere nicht, dass die unterirdischen Räume und Bauwerke baulich abgeschlossen sein müssen. Auch sprächen weder subjektiv-historische Erwägungen noch systematisch-logische oder objektiv-teleologische Erwägungen dafür, die mit dem Kellereigentum gewährte Sonderrechtsfähigkeit auf nach allen Seiten baulich abgeschlossene Bauwerke zu beschränken. In der Rechtsprechung sei die bauliche Abgeschlossenheit des unterirdischen Bauwerks zwar bislang nicht ausdrücklich thematisiert, aber auch nicht als Hindernis für die Begründung von Kellereigentum angesehen worden.