Studentenheim als „sozialer Dienst betreuender Art“?
Arbeitsverträge mit Studentenheimbetreibern unterliegen nicht dem Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich
Die Beklagte betreibt als gemeinnützige Vereinigung Studentenheime mit dem Ziel Studierende aus Familien mit niedrigem Einkommen durch Studentenheimplätze zu günstigen Preisen zu fördern. Die Klägerin ist bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt und begehrt unter Berufung auf den Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich zusätzliche Entgelte.
Da die Beklagte nicht Mitglied des Vereins Sozialwirtschaft Österreich ist, kommt eine unmittelbare Anwendung des Kollektivvertrags der Sozialwirtschaft Österreich nicht in Betracht. Wohl aber wurde dieser Kollektivvertrag mittels Verordnungen für „Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen“, zur Satzung erklärt. Die Klägerin argumentierte, dass die Beklagte in den fachlichen Anwendungsbereich der Satzung falle, weil sie „soziale Dienste betreuender Art“ anbiete.
Der Oberste Gerichtshof ist dem nicht gefolgt.
Die Auslegung der Verordnungen erfolgt nach dem Wortsinn und der Bedeutung des Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch, wobei der Begriff „betreuen“ im Sinne von „in seine Obhut nehmen“ oder „für jemanden sorgen“ verstanden wird. Da dies stets die Übernahme einer Verantwortung impliziert, fallen weder das bloße Zurverfügungstellen von Wohnraum noch finanzielle Unterstützungsleistungen unter diesen Begriff. Dass sich die Vereinsrichtlinien des Bundesministeriums für Finanzen auf „die Betreuung von Studenten zB im Wege des Unterhaltens von Studentenheimen“ beziehen, kann daran nichts ändern, weil es sich um eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Formulierung handelt. Auch im Studentenheimgesetz ist eine „Betreuung der Studierenden“ nicht vorgesehen. Soweit der Gesetzgeber in § 155 Abs 1 BDG; § 49b Abs 1 VBG von der Betreuung von Studierenden spricht, betrifft dies ihre fachliche Betreuung durch Universitätslehrer. Der Betrieb eines Studentenheims ist damit kein sozialer Dienst „betreuender Art“, sodass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht dem Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich unterliegt.