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Schriftformklausel und vorherige Zusagen

 
 

Rückgabeberechtigter Käufer haftet unter Umständen für einen Steinschlagschaden.

Die Klägerin kaufte bei der Beklagten ein Elektrofahrzeug zu einem Kaufpreis von 39.750 EUR. Bei einem der Verkaufsgespräche wurde nach der Reichweite des Fahrzeugs gefragt und erwähnt, dass es zumindest eine Reichweite von 200 km haben müsse. Der Mitarbeiter der Beklagten teilte daraufhin mit, dass für das Fahrzeug im Prospekt zuerst eine Reichweite von 325 km angegeben gewesen und diese nunmehr auf 285 km herabgesetzt worden sei. Auf Nachfrage, wie weit mit dem Fahrzeug tatsächlich gefahren werden könne, antwortete er, dass das Fahrzeug im Sommer eine Reichweite von 250 km und im Winter von 200 km habe.

Der schriftliche Kaufvertrag enthielt folgende Klausel: „Sonstige Vereinbarungen: Sämtliche Vereinbarungen sind schriftlich niederzulegen. Dies gilt auch für Nebenabreden und Zusicherungen sowie für nachträgliche Vertragsänderungen.“

Beim Fahrzeug ergeben sich Reichweiten zwischen 195 und 205 km. Es wäre möglich, dass im Winter bei Temperaturen unter 0°C die Reichweite noch um ca 10 % abnimmt.

Beim Fahrzeug ist aufgrund eines Steinschlags in der Frontscheibe ein Sprung vorhanden. Die Reparaturkosten beliefen sich in einer Fachwerkstätte auf rund 1.500 EUR.

Das Berufungsgericht erklärte den Kaufvertrag für aufgehoben und die Beklagte für schuldig, der Klägerin 37.110,63 EUR samt Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu bezahlen.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte dieses Urteil im Wesentlichen, hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.500 EUR trug er dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Der Senat führte unter anderem aus:

Aufgrund der im schriftlichen Vertrag vereinbarten Schriftformklausel kommt der Vertrag erst mit der Unterschrift der Parteien zustande. Mit den Vertragsgesprächen, die vor diesem Zeitpunkt stattgefunden haben, konnte nicht „nachträglich“ vom vereinbarten Formgebot abgegangen werden. Außerdem erfordert ein einvernehmliches Abgehen übereinstimmende eindeutige Erklärungen, die sich bewusst auf die Beseitigung des Formgebots beziehen müssen.

Allerdings widerspricht es den Grundsätzen des redlichen Verkehrs, wenn ein Vertragsteil dem anderen mündlich bestimmte Zusagen macht und sich hinterher auf eine damit im Widerspruch stehende Klausel in der schriftlichen Urkunde beruft. Ein Verstoß gegen den redlichen Geschäftsverkehr erfordert ein Unredlichkeitsurteil, das vorliegt, wenn ein Vertragspartner seine vertragliche Position bewusst missbräuchlich ausnützt. Dies ist hier in Bezug auf die Zusage der Reichweite des Fahrzeugs der Fall, weil die Klägerin diese Eigenschaft ausdrücklich zur Geschäftsgrundlage erhob und für die Beklagte erkennbar war, dass die Klägerin auf die Richtigkeit der Reichweitenangaben vertraute.

Nach § 335 ABGB ist der unredliche Besitzer nicht nur verbunden, „alle durch den Besitz einer fremden Sache erlangte Vorteile zurück zu stellen“, sondern unter anderem auch, „allen durch seinen Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen“. In § 335 ABGB hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass bei widerrechtlicher, schuldhafter Benützung einer Sache auch für den Zufall gehaftet wird, der sich ohne diese Benützung nicht ereignet hätte. Die Sonderbestimmung des § 335 ABGB erfasst jegliche Beschädigung der Sache während des unredlichen Besitzes. Der Schaden muss nur durch den unredlichen Besitz adäquat verursacht worden sein. Der Bereicherungsschuldner ist jedenfalls unredlich, sobald er vom (eigenen oder fremden) Gestaltungsrecht und damit von seiner Rückstellungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Wann der Schaden hier eingetreten ist und ob die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von ihrem Vertragsanfechtungsrecht hatte, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Aus diesem Grund kann noch nicht beurteilt werden, ob die Klägerin im Schadenszeitpunkt als unredliche oder redliche Bereicherungsschuldnerin zu qualifizieren ist.

 

Link zum Volltext im RIS erfolgt in Kürze

 
ogh.gv.at | 25.07.2025, 04:07
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/schriftformklausel-und-vorherige-zusagen/)

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