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„Helmmitverschulden“ beim E-Bike-Fahren

 
 

Der Oberste Gerichtshof wertet das Nichttragen eines Fahrradhelms beim E-Bike-Fahren jedenfalls ab dem Jahr 2023 als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten.

Im Februar 2023 kam es im Bereich eines Geh- und Radwegs auf Höhe der Zufahrt zu einer Tankstelle zu einer Kollision zwischen dem Kläger auf seinem E-Bike (mit einer Bauartgeschwindigkeit von 25 km/h) und dem vom Erstbeklagten gelenkten und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW. Der beim Unfall schwer verletzte Kläger war ohne Fahrradhelm unterwegs. Bei Tragen eines Helms hätte er unfallkausal ein Fünftel weniger Schmerzen erlitten.

Das Erstgericht bejahte ein „Helmmitverschulden“ des Klägers. Es stellte fest, dass 62 % der Erwachsenen beim E-Bike-Fahren einen Helm tragen.
Das Berufungsgericht ließ eine gegen diese Feststellung gerichtete Verfahrensrüge unbehandelt und verneinte ein „Helmmitverschulden“.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge.

Der Senat fasste zuerst die bisherige Rechtsprechung zum Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms zusammen. Ein solches wird bei sportlich ambitionierten Radfahrern bejaht (2 Ob 99/14v), bei „normalen“ Radfahrern aber (bisher) verneint (2 Ob 8/20w). Nach der Rechtsprechung ist für die Frage eines Mitverschuldens wegen Nichttragens eines Fahrradhelms (oder auch von Motorradschutzbekleidung) entscheidend, ob sich in den beteiligten Verkehrskreisen (bereits) ein allgemeines Bewusstsein über die Anwendung solcher Schutzmaßnahmen gebildet hat. Wenn zur Beurteilung dieser Frage – wie im Anlassfall – die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen, bedarf es dazu weder einer Beweisaufnahme noch Feststellungen.

Der Senat betonte, dass es nicht argumentierbar ist, dem Einzelnen immer strengere Sorgfaltspflichten gegenüber anderen aufzuerlegen, dagegen aber die Obliegenheit, Sorgfalt gegenüber eigenen Gütern anzuwenden, zunehmend abzubauen. Auch „schwache“ E-Bikes (also solche mit einer Bauartgeschwindigkeit von bis zu 25 km/h) weisen gegenüber konventionellen Fahrrädern bauliche Abweichungen auf, die ein besonderes Gefahrenmoment bilden. Die dadurch gesteigerte Unfallhäufigkeit hat in der Bevölkerung bereits zu einer Verankerung der Wichtigkeit und Bedeutung des Helmtragens beim E-Bike-Fahren geführt. Insgesamt ist damit das Nichttragen des Fahrradhelms beim E-Bike-Fahren als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzusehen.

Die gebotene Kürzung um das Helmmitverschulden wirkt sich nach der Rechtsprechung nur auf Schmerzengeldansprüche aus. Konkret um das Mitverschulden zu kürzen ist in analoger Anwendung des § 106 Abs (2 und) 7 KFG außerdem nur das Schmerzengeld für Verletzungen, die durch das Tragen des Helms vermieden worden wären.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 30.04.2025, 08:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/helmmitverschulden-beim-e-bike-fahren/)

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