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Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht ohne vertretungsbefugten Verteidiger

 
 

Mit Urteil des Geschworenengerichts war der Angeklagte mehrerer Verbrechen der Aufforderung zu nationalsozialistischer Wiederbetätigung nach § 3d Abs 1 VerbotsG und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Erst Tage nach der Urteilsfällung wurde bekannt, dass der bei der Verhandlung für den Verfahrenshilfeverteidiger eingeschrittene „Konzipient“ Dr. *X* zum Zeitpunkt der Verrichtung der Hauptverhandlung weder eingetragener Rechtsanwalt noch eingetragener Rechtsanwaltsanwärter war und zu diesem Zeitpunkt auch nicht über eine Legitimationsurkunde gemäß § 15 RAO verfügte.

Als Dr. *X* wenige Tage vor der Hauptverhandlung beim Vorsitzenden erschien, wurde er zwar von diesem gefragt, ob er über eine „große LU“ verfüge, was er bejahte. Eine Überprüfung der Legitimation durch Einsichtnahme in die Legitimationsurkunde vor Beginn der Hauptverhandlung unterblieb allerdings.

Gemäß § 61 Abs 1 Z 4 StPO muss der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenengericht durch einen Verteidiger vertreten sein. Der Verteidiger (§ 48 Abs 1 Z 5 StPO) kann sich, wenn seine Beiziehung – wie hier – gesetzlich vorgeschrieben ist, auch durch einen bei ihm in Verwendung stehenden substitutionsberechtigten Rechtsanwaltsanwärter vertreten lassen. Diese Substitutionsbefugnis (§ 15 Abs 2 RAO) ist aus einer vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer auszustellenden sogenannten großen Legitimationsurkunde ersichtlich.

Aus der gesetzlichen Anordnung der notwendigen Verteidigung im Geschworenenverfahren folgt die Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung der erforderlichen Verteidigerlegitimation des jeweils einschreitenden Vertreters.

Dieser Verpflichtung ist der Vorsitzende durch die wenige Tage vor der Hauptverhandlung erfolgte (bloße) Nachfrage, ob der (ihm auch nicht von Vertretungstätigkeiten in anderen Strafverfahren bekannte) als Konzipient des Verfahrenshilfeverteidigers auftretende Dr. *X* „über eine große LU verfüge“, ohne spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung (§ 304 StPO) dessen Legitimation zum Einschreiten als Verteidiger durch Einsichtnahme in eine entsprechende Legitimationsurkunde zu überprüfen, nicht nachgekommen.

Durch die solcherart erfolgte Zulassung einer zur Verteidigung des Angeklagten nicht befugten Person in der somit ohne Verteidiger durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht wurde daher § 61 Abs 1 Z 4 StPO verletzt.

Der Oberste Gerichtshof, der aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mit diesem Verfahren befasst war, hat diese Gesetzesverletzung festgestellt, das Urteil aufgehoben und die Verfahrenserneuerung angeordnet.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 24.09.2025, 18:09
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/hauptverhandlung-vor-dem-geschworenengericht-ohne-vertretungsbefugten-verteidiger/)

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