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Ausgleichszulage für Familienangehörige eines Wanderarbeitnehmers

 
 

Die Ausgleichszulage kann einem Familienangehörigen, der seinen rechtmäßigen und gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, weil ihm von einem Wanderarbeitnehmer Unterhalt gewährt wird, nicht mit der Begründung verwehrt werden, der Familienangehörige würde aufgrund der Ausgleichszulage keinen Unterhalt mehr vom Wanderarbeitnehmer erhalten, weil dies die dem Wanderarbeitnehmer zuerkannte Gleichbehandlung beeinträchtigen würde.

Der Kläger ist nicht selbst Unionsbürger, aber Familienangehöriger eines solchen, der ihm auch Unterhalt gewährt. Er begehrt von der Pensionsversicherungsanstalt die Ausgleichszulage zu seiner Invaliditätspension.

Während das Erstgericht den Anspruch bejahte, wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.
Nach § 292 Abs 1 ASVG hat der Pensionsberechtigte Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich hat. Ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht kann auch einem Familienangehörigen iSd Unionsbürger‑RL zukommen, der nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist. Er kann dieses Aufenthaltsrecht insbesondere dann von einem Unionsbürger ableiten, wenn letzterer als Arbeitnehmer oder Selbständiger in Österreich tätig ist. „Familienangehöriger“ ist (unter anderem) ein Verwandter in gerader aufsteigender Linie, dem vom Unionsbürger – was im Verfahren nicht strittig war – Unterhalt gewährt wird.
Dagegen wendete die Beklagte den „Unionsbürgerschaft als Münchhausen“-Effekt ein: Nach der bisherigen Rechtsprechung führte der wegen der Unterhaltsgewährung durch einen Unionsbürger rechtmäßige Aufenthalt nicht zu einem Anspruch auf Ausgleichszulage, weil die Kosten des Aufenthalts in Österreich in den ersten fünf Jahren nicht von staatlicher Seite, sondern über den familieninternen Unterhalt finanziert werden sollten.
Diese Rechtsprechung wird nach der Entscheidung des EuGH C‑488/21, GV/Chief Appeals Officer ua, nicht aufrecht erhalten: Würde der Umstand, dass ein Wanderarbeitnehmer seinem Familienangehörigen Unterhalt gewährt, dem Anspruch auf Ausgleichszulage entgegenstehen, wäre es ihm praktisch verboten, diese Leistung zu beantragen, und dadurch die dem Wanderarbeitnehmer zuerkannte Gleichbehandlung beeinträchtigt.
Ob der Sohn des Klägers – wie der Kläger behauptet – als Arbeitnehmer oder Selbständiger in Österreich tätig war bzw ist, lässt sich den getroffenen Feststellungen allerdings nicht entnehmen. Sollte dies der Fall sein und sich der Kläger in den letzten fünf Jahren oder zumindest seit mehr als drei Monaten rechtmäßig im Inland aufhalten, wäre der Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage ungeachtet des Einwands der Beklagten zu bejahen.

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ogh.gv.at | 30.12.2025, 12:12
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/ausgleichszulage-fuer-familienangehoerige-eines-wanderarbeitnehmers/)

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