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Arglistige Irreführung von Anlegern über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers durch den Vorstand einer Bank

 
 

Ein durch irreführende Werbebroschüren verursachter Irrtum über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers kommt als Haftungsgrund infrage. Der Beklagte haftet der klagenden Anlegerin gemäß §§ 1301, 874 ABGB wegen Beihilfe an der irreführenden Werbung, weil er die Werbemaßnahmen in seiner Funktion als Vorstand gebilligt hat, und wusste, dass diese zur Irreführung der Anleger geeignet waren, sowie billigend in Kauf nahm, dass Anleger aufgrund der Angaben in den Werbebroschüren Wertpapiere erwerben würden, die sie bei richtiger Information über die Sicherheit dieser Wertpapiere nicht erworben hätten.

Die Klägerin erwarb in den Jahren 2006 und 2007 MEL-Zertifikate. Deren Kurs entwickelte sich von 2003 bis Mitte 2007 mit geringen Schwankungen stetig aufwärts. Ende Juli 2007 kam es zum ersten massiven Kurssturz der Zertifikate. In der Folge fiel der Kurs weiter, eine Erholung fand nicht mehr statt. Der Beklagte war seit den 1980er Jahren bis Ende 2007 Vorstandsvorsitzender der Emissionsbank.
Die Bank erstellte gemeinsam mit der MS AG wiederholt Broschüren und Fact Sheets für den Verkauf von MEL-Zertifikaten, koordinierte diese mit der emittierenden Gesellschaft und veröffentlichte sie. In den Broschüren wurden die MEL-Zertifikate unrichtig als „Aktien“ bezeichnet und der falsche Eindruck erweckt, dass diese Wertpapiere nicht den Schwankungen des Aktienmarkts unterliegen würden und daher sicherer als andere seien. Dem Beklagten war bekannt, dass die Bank auf der ersten und der letzten Seite einer Werbebroschüre genannt wurde. Er kannte auch den Inhalt der Werbebroschüren. Er wusste weiters, dass die MEL-Zertifikate nicht „sicherer“ waren als andere Aktien und sich der Kurswert durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Ihm war bewusst, dass die Aussage, die MEL-Zertifikate seien eine „sichere, breit gestreute Immobilienveranlagung in Zeiten stark schwankender Aktienmärkte“ nicht richtig war. Er kannte auch das dahinterstehende Marketingkonzept und rechnete damit, dass die Broschüren Anlegern zur Kenntnis gelangen und als Entscheidungsgrundlage für Veranlagungen dienen. Durch die Bewerbung des Produktes als von einem Kursrisiko unabhängige sichere Immobilienveranlagung nahm es der Beklagte bewusst in Kauf, dass Kunden ein falsches Bild von der Sicherheit dieses Produkts vermittelt bekamen, um sie zu einer Investition in MEL-Zertifikate zu verleiten. Ihm war daher bewusst, dass die herausgegebenen Werbebroschüren irreführend waren, und er nahm damit (auch) billigend in Kauf, dass Anleger aufgrund der Angaben in den Werbebroschüren Wertpapiere erwerben würden, die sie bei richtiger Information über die Sicherheit dieser Wertpapiere nicht erworben hätten.

Die Vorinstanzen gaben dem auf Schadenersatz gestützten Klagebegehren statt.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision des Beklagten zurück und führte aus, dass List rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung ist. Der bedingte Vorsatz des listig Irreführenden muss sich darauf beziehen, dass der andere Teil irrt und dass dieser Irrtum einen Einfluss auf den Willensentschluss hat. Auch wenn die arglistige Irreführung nicht durch den Vertragspartner, sondern durch einen Dritten erfolgt ist, besteht ein Anspruch auf Schadenersatz. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Beklagte hafte der klagenden Anlegerin gemäß §§ 1301, 874 ABGB wegen Beihilfe an der irreführenden Werbung, weil er die Werbemaßnahmen in seiner Funktion als Vorstand gebilligt hat, und wusste, dass diese zur Irreführung der Anleger geeignet waren, sowie billigend in Kauf nahm, dass Anleger aufgrund der Angaben in den Werbebroschüren Wertpapiere erwerben würden, die sie bei richtiger Information über die Sicherheit dieser Wertpapiere nicht erworben hätten, findet Deckung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 15.11.2025, 08:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/arglistige-irrefuehrung-von-anlegern-ueber-die-risikogeneigtheit-und-wertstabilitaet-eines-wertpapiers-durch-den-vorstand-einer-bank/)

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