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Anrechenbarkeit in einem anderen EU-Mitgliedstaat bezogener Familienleistungen auf das Kinderbetreuungsgeld?

 
 

Da sich das tschechische Elterngeld in seiner Funktion und Struktur deutlich vom Kinderbetreuungsgeld unterscheidet, führt der Bezug dieser tschechischen Leistungen durch die Mutter nicht zu einem Ruhen ihres Anspruchs auf pauschales Kinderbetreuungsgeld.

Die Klägerin, die mit ihrer Familie in der Slowakei lebt und für ihre im Jahr 2017 geborene Tochter – aufgrund ihrer karenzierten Beschäftigung in der Tschechischen Republik – bereits bis Ende Juni 2018 tschechisches Elterngeld („rodičovský příspěvek“) bezogen hatte, begehrte für den nachfolgenden Zeitraum, gestützt auf die Erwerbstätigkeit ihres Ehegatten in Österreich ab Juli 2018, pauschales Kinderbetreuungsgeld als Konto in der Variante 851 Tage.
Der beklagte Sozialversicherungsträger stand im Verfahren auf dem Standpunkt, mit dem tschechischen Elterngeld sei bereits eine den möglichen Leistungsanspruch in Österreich jedenfalls übersteigende vergleichbare Leistung bezogen worden, was gemäß § 6 Abs 3 KBGG zum Ruhen des Kinderbetreuungsgeldanspruchs führe.

Die Vorinstanzen gingen demgegenüber von der fehlenden Vergleichbarkeit der bezogenen tschechischen Familienleistung mit dem Kinderbetreuungsgeld aus.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Rechtsansicht.
Die nicht auf „vergleichbare“ ausländische Familienleistungen abstellende Ruhensbestimmung des § 6 Abs 3 KBGG, müsse im Anwendungsbereich der VO 883/2004 unangewendet bleiben. Entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben komme es zu einem Ruhen nur bei Vorliegen von Leistungen gleicher Art. Völlige Gleichartigkeit werde vom Europäischen Gerichtshof nicht gefordert; es genüge, wenn die Leistungen in wesentlichen Merkmalen (Sinn und Zweck, Berechnungsgrundlage und Voraussetzungen für ihre Gewährung sowie ihre Leistungsberechtigten) übereinstimmten. Dies sei aber beim tschechische Elterngeld und beim österreichischen Kinderbetreuungsgeld nicht der Fall: Kinderbetreuungsgeld sei (pauschal wie einkommensabhängig) grundsätzlich nur Eltern zu gewähren, die bereit seien, ihre Erwerbstätigkeit aufgrund der Kinderbetreuung einzuschränken; primäre Anspruchsvoraussetzung sei die Erbringung von Betreuungsleistungen durch den im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebenden Elternteil. Dessen Einkommensersatzfunktion zeige sich auch beim Kinderbetreuungsgeld in der pauschalen Variante. Das tschechische Elterngeld sei demgegenüber nicht an die (teilweise) Aufgabe der Erwerbstätigkeit oder an die Einhaltung von Zuverdienstgrenzen geknüpft. Solange nur die Kinderbetreuung durch eine andere erwachsene Person gewährleistet sei, stehe Elterngeld auch voll erwerbstätigen Eltern zu. Das tschechische Elterngel ziele daher weniger auf die Vergütung erbrachter eigener Betreuungsleistungen bzw den (teilweisen) Ersatz des damit einhergehenden Einkommensausfalls ab, sondern generell auf den Ausgleich von Familienlasten, namentlich von Betreuungs- und Erziehungskosten, zu denen gerade auch die Kosten einer Fremdbetreuung des Kindes zählten.

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ogh.gv.at | 30.12.2025, 12:12
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/anrechenbarkeit-in-einem-anderen-eu-mitgliedstaat-bezogener-familienleistungen-auf-das-kinderbetreuungsgeld/)

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