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Kartellschadenersatz

 
 

Aktivlegitimation für Teilnehmer an Preisabstimmung für Ansprüche nach § 37a KartG 2005 idF KaWeRÄG 2012 bei asymmetrischem Franchiseverhältnis bejaht

Die Beklagte betreibt 110 Bäckereistandorte, davon 91 als Eigenfilialen. Die anderen 19 gibt sie voll ausgestattet an Franchisenehmer in Unterpacht. Auch die vier Klägerinnen erhielten als Franchisenehmerinnen jeweils eine ausgestattete Filiale für den Betrieb auf eigene Rechnung und eigenes Risiko. Die Ausstattung umfasste auch das elektronische Kassensystem, in dem die Franchisenehmer Verkaufspreise nicht ohne Mitwirkung der Beklagten ändern konnten. Nachdem die Beklagte die Franchiseverträge mit den Klägerinnen gekündigt hatte, erstatteten diese Anzeige gegen die Beklagte bei der Bundeswettbewerbsbehörde. Das Kartellgericht verhängte über die Beklagte (rechtskräftig) eine Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG, konkret wegen vertikalen Abstimmungsmaßnahmen über Wiederverkaufspreise im Sinne von Fest- und Mindestpreisen mit Franchisenehmern (einschließlich der Klägerinnen) durch die zentrale Steuerung des von ihren Franchisenehmern verwendeten elektronischen Kassensystems.

Die Klägerinnen begehrten von der Beklagten (unter anderem) Schadenersatz wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot. Sie hätten wegen der fehlenden Möglichkeit zur selbstständigen Preisgestaltung, zB der Abhaltung von Aktionstagen weniger Gewinn erzielt.

Die Beklagte wandte unter anderem ein, dass ihre Franchisenehmer sehr wohl Möglichkeiten zur Preisgestaltung hätten. Im Übrigen seien Mitkartellanten vom Schutzzweck der Norm des § 37a KartG 2005 idF KaWeRÄG 2012 ausgenommen. Jedenfalls treffe die Beklagte gegenüber den Klägerinnen kein grobes Verschulden.

Das Erstgericht wies die Klage ab. § 37d KartG idF BGBl I Nr 56/2017 sehe Ersatz für entgangenen Gewinn nur für Schäden vor, die nach dem 26.12.2016 entstanden seien. Die Klage beziehe sich auf Zeiträume davor.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück Auch vor dem KaWeRÄG 2017 hätten die damals anwendbaren allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln Ersatz bei entgangenem Gewinn bei Kartellverletzungen ermöglicht, sofern grobes Verschulden vorlag. Eine vertikale Preisbindung sei als Kernverstoß gegen Kartellrecht jedenfalls als grob fahrlässige Schutzgesetzverletzung einzustufen.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Aufhebung und Zurückverweisung, überband dem Erstgericht jedoch eine vom Berufungsgericht abweichende Rechtsansicht zum Verschulden. § 37a Abs 1 KartG 2005 idF KaWeRÄG 2012 nimmt entgegen der Ansicht der Beklagten Teilnehmer an kartellrechtswidrigem Verhalten nicht kategorisch vom Schutzzweck der Norm aus. Jedenfalls bei dem hier vorliegenden asymmetrischen Verhältnis der Teilnehmer an Preisabstimmungsmaßnahmen im Franchisesystem ist die Aktivlegitimation der Klägerinnen zu bejahen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Verweis des Gesetzgebers in den Materialien zu § 37a Abs 1 KartG auf die EuGH-Entscheidung C‑453/99, Courage/Crehan. Die Feststellungen reichen jedoch nicht aus, um die Kausalität und die Schwere des Verschuldens der Beklagten gegenüber den Klägerinnen zu beurteilen.

Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren detailliertere Feststellungen zu den vertikalen Abstimmungsmaßnahmen über Wiederverkaufspreise zu treffen haben, insbesondere welchen Handlungsspielraum die Parteien bei der Gestaltung der jeweiligen Franchiseverträge und der tatsächlichen Handhabung der Verkaufspreise hatten. Danach ist zu prüfen, ob das kartellrechtswidriges Verhalten der Beklagten für den behaupteten Gewinnentgang ursächlich war und die Beklagte insoweit ein grobes Verschulden gegenüber den Klägerinnen trifft. Weiters werden der Einwand zum Mitverschulden der Klägerinnen und die Höhe des kausal entgangenen Gewinns zu beurteilen sein.

Link zum Volltext im RIS erfolgt in Kürze

 
ogh.gv.at | 15.11.2025, 10:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/kartellschadenersatz/)

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