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Aufklärungspflichten von Rettungssanitätern

 
 

Ein Rettungssanitäter hat den Patienten auf eine aus seiner Sicht medizinisch indizierte (Hilfs-)Maßnahme hinzuweisen und dabei allgemein darüber zu informieren, aufgrund welcher Umstände und Überlegungen er zu seiner Beurteilung gelangt, dass die angebotene (Hilfs-)Maßnahme im konkreten Fall erforderlich erscheint.

Die Beklagte ist eine österreichische Rettungsorganisation. Am 21. 3. 2020 um 9:19 Uhr verständigte die Familie der späteren Patientin den Notruf. Die Rettungsleitstelle entsandte daraufhin einen mit zwei geprüften Rettungssanitätern der Beklagten besetzten Rettungswagen mit dem Einsatzgrund „Kollaps“. Die Rettungssanitäter fanden die Patientin an ihrer Wohnadresse vor und wollten sie zunächst zur ärztlichen Abklärung ins Krankenhaus transportieren, was sie ihr auch anrieten. Die Patientin äußerte ihre Sorge um eine Covid-19-Ansteckung. Sie entschied sich deshalb gegen einen Transport und unterschrieb einen Revers. Die Rettungssanitäter fuhren daraufhin, ohne die Patientin in ein Krankenhaus zu verbringen. Um etwa 14:00 Uhr wurde wegen des sich verschlechternden Gesundheitszustands der Patientin erneut der Rettungsdienst verständigt, was zu ihrem Transport in ein Krankenhaus führte. Dort verstarb sie am darauffolgenden Tag.

Die Kläger – der Witwer und die Söhne der Verstorbenen – begehren die Zahlung von Trauerschmerzengeld und Begräbniskosten. Die Rettungssanitäter hätten die Patientin nicht ordnungsgemäß untersucht und ihren ernsten Gesundheitszustand nach erlittenem Herzinfarkt nicht erkannt. Eine medizinische Abklärung in einem Krankenhaus wäre dringend notwendig gewesen. Die Patientin sei nicht über die Notwendigkeit einer raschen ärztlichen Abklärung aufgeklärt worden. Bei früherem Transport in ein Krankenhaus wäre sie nicht verstorben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Wesentlichen statt. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung Folge und wies die Klage ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der dagegen erhobenen Revision Folge, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Einen Rettungssanitäter trifft keine ärztliche Aufklärungspflicht, somit auch keine Aufklärungspflicht über medizinische Diagnosen oder eine ärztliche Heilbehandlung. Auf Grundlage des Selbstbestimmungsrechts des Patienten trifft jedoch auch den Rettungssanitäter eine Aufklärungspflicht, soweit in die körperliche Integrität des Patienten eingegriffen wird. Daneben schuldet er eine Aufklärung im Rahmen der allgemeinen Pflicht des § 4 Abs 1 SanG, das Wohl des Patienten nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zu wahren. Der Rettungssanitäter hat dabei den Patienten allgemein darüber zu informieren, aufgrund welcher Umstände und Überlegungen er zu seiner Beurteilung gelangt, dass die angebotene (Hilfs-)Maßnahme im konkreten Fall erforderlich erscheint. Er hat einem Patienten, der eine ihm angebotene bzw empfohlene (Hilfs-)Maßnahme ablehnt, also allgemein darzulegen, aus welchen Gründen die Durchführung der Maßnahme aus seiner fachlichen Sicht anzuraten ist. Erst dadurch wird dem Patienten die angebotene Maßnahme näher veranschaulicht und eine sachgerechte Entscheidung über diese ermöglicht. Im vorliegenden Fall fehlten ausreichende Feststellungen für die Beurteilung, ob die Rettungssanitäter ihrer Informationspflicht ausreichend nachgekommen sind.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 15.11.2025, 10:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/aufklaerungspflichten-von-rettungssanitaetern/)

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