Arbeitsunfall am Bau – keine Integritätsabgeltung bei Verstoß gegen BauKG
Die Missachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nach dem BauKG durch den Baustellenkoordinator begründet keinen Anspruch nach § 213a ASVG.
Am 22.10.2018 stürzte der auf einer Baustelle als Arbeitnehmer tätige Kläger von einer Zwischendecke in einen unzureichend abgesicherten Schacht und verletzte sich schwer. Er begehrte den Zuspruch einer Integritätsabgeltung auch unter Verweis darauf, dass der vom Bauherrn eingesetzte Baustellenkoordinator grob fahrlässig Arbeitnehmerschutzvorschriften nach dem BauKG außer Acht gelassen habe.
Während das Erstgericht dem Kläger die Integritätsabgeltung zuerkannte, wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts.
Zweck der Integritätsabgeltung (als eine dem Schmerzengeld und der Verunstaltungsentschädigung bzw dem Ersatz wegen Verhinderung des besseren Fortkommens verwandte Leistung) sei es, Härten aufgrund des Haftungsausschlusses nach § 333 ASVG zu begegnen. Entscheidend für die Anspruchsbegründung sei die grob fahrlässige Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften im Rahmen des vom Dienstgeber zu vertretenden und ihm zuzuordnenden Bereiches. Jeder Arbeitsunfall im Betrieb des Arbeitgebers und jede Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften seien im weitesten Sinn seiner Sphäre zuzurechnen. Es liege in der Verantwortung des Arbeitgebers, seinen Betrieb so zu organisieren, dass es zu keinen Gefahren für die in die Betriebsorganisation eingegliederten Arbeitnehmer komme.
„Arbeitnehmerschutzvorschriften“ iSd § 213a Abs 1 ASVG seien aber nur solche Schutzvorschriften, die gerade (auch) an den Arbeitgeber adressiert sind, also in seinen Verantwortungsbereich fielen. Das treffe auf die (ebenfalls dem Arbeitnehmerschutz dienenden) Koordinations-, Organisations-, Überwachungs- und Informationspflichten nach dem BauKG nicht zu: Sie träfen nicht den Arbeitgeber, sondern vielmehr den Bauherrn (bzw den von ihm eingesetzten Projektleiter). Der von diesem bestellte Baustellenkoordinator nehme somit (Schutz-)Pflichten gerade des Bauherrn war. Er werde nicht in Vollziehung der Fürsorgepflicht des jeweiligen Professionisten (Arbeitgebers) gegenüber seinen Arbeitnehmern tätig und sei gegenüber diesen auch nicht weisungsbefugt, sodass er sich auch nicht als Aufseher im Betrieb des Arbeitgebers des verunfallten Arbeitnehmers bzw als Vertreter des Arbeitgebers auf das Haftungsprivileg des § 333 Abs 4 ASVG berufen könne. Damit gebiete auch der Zweck der Integritätsabgeltung keine Erstreckung der Leistung auf den Fall der Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nach dem BauKG durch den Koordinator.