Zum Hauptinhalt
 
 
 
 

Feststellung der Nichtabstammung setzt keinen „Anfangsverdacht“ voraus

 
 

Der Oberste Gerichtshof nimmt zu den verfahrensrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Antrags auf Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter Stellung.

Der Antragsgegner ist der 1998 während aufrechter Ehe geborene Sohn des Antragstellers. Die Ehe wurde 2009 geschieden. Der Antragssteller hatte weder im empfängniskritischen Zeitraum noch zum Zeitpunkt der Geburt Zweifel an seiner Vaterschaft, obwohl ihm damals „Wirtshausgespräche“ über andere Männerbekanntschaften seiner Frau zugetragen wurden. Erst im Jahr 2023 begann er an seiner (biologischen) Vaterschaft zu zweifeln, weil ihm die Mutter des Antragsgegners im Zusammenhang mit der gescheiterten Übergabe seiner Landwirtschaft an den Sohn mitteilte, dass der Antragsgegner „nichts, gar nichts von ihm habe“.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag auf Feststellung der Nichtabstammung ohne Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens nach Einvernahme der Parteien ab. Feststellungen zur (Nicht-)Abstammung des Antragsgegners vom Antragsteller trafen sie mangels schlüssiger Behauptung eines Anfangsverdachts nicht.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragstellers Folge, hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf.

Nach § 153 Abs 1 ABGB kann der Antrag auf Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter „binnen zwei Jahren ab Kenntnis der hiefür sprechenden Umstände“ gestellt werden. Ausgehend davon stellte stellte der Oberste Gerichtshof klar, dass ein solcher Antrag mangels gesetzlicher Grundlage keinen „Anfangsverdacht“ voraussetzt und daher auch schon vor Beginn des Laufs der in § 153 Abs 1 ABGB geregelten Zweijahresfrist gestellt werden kann. Da die Antragstellung damit auch im Anlassfall verfahrensrechtlich zulässig ist und für eine schlüssige Antragstellung das Vorbringen ausreicht, die rechtlich gegebene Vaterschaft entspreche nicht den wahren (biologischen) Verhältnissen, ist das Gericht verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu erheben und entsprechende Feststellungen zu treffen. Eine Beschränkung auf eine bloße „Schlüssigkeitsprüfung des Antragsvorbringens“ in Bezug auf begründete, objektive Zweifel kommt nicht in Betracht.

Das Gericht hat zwar im Rahmen des ihm eingeräumten Beweisaufnahmeermessens die Möglichkeit, das Fehlen jeglicher Indizien für eine Nichtabstammung zu würdigen und allenfalls von der Einholung eines Sachverständigengutachtens (samt Anordnung und Durchsetzung der damit in Zusammenhang stehenden Mitwirkungspflichten) abzusehen. Der Oberste Gerichtshof betonte jedoch, dass das Recht, die eigene (Nicht-)Abstammung zu kennen, in den Schutzbereich des Art 8 EMRK fällt, sodass die Ermessensübung bei der Beweisaufnahme einer besonders strengen Prüfung unterliegt.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 06.11.2025, 21:11
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/feststellung-der-nichtabstammung-setzt-keinen-anfangsverdacht-voraus/)

Oberster Gerichtshof  |  Schmerlingplatz 11 , A-1010 Wien  |  Telefon: +43 1 52152 0  |  Telefax: +43 1 52152 3710