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Kunstsammlung als Teil des gesetzlichen Vorausvermächtnisses des Ehegatten?

 
 

Der Oberste Gerichtshof präzisiert seine Rechtsprechung zum Umfang des gesetzlichen Vorausvermächtnisses des Ehegatten (§ 745 Abs 1 ABGB).

Die Klägerin ist die Witwe des 2017 verstorbenen Erblassers, mit dem sie bis zu seinem Tod im gemeinsamen Haushalt in dessen Eigentumswohnung lebte. Der Erblasser war ein bekannter österreichischer Kunstkenner und -sammler, er übte das „Hobby“ des Kunstsammelns bis zu seinem Tod mit einer großen Leidenschaft aus. Er erwarb Objekte nicht nur aus persönlicher Vorliebe, sondern auch aus monetären Gründen. Er behielt stets den Marktwert seiner gesammelten Werke im Blick und scheute nicht davor zurück, auch größere Teile seiner Sammlung zu veräußern, um Gewinne zu lukrieren. Es ging ihm immer darum, seine Sammlung zu vergrößern und vor allem bekannter zu machen, um damit auch deren Wert zu steigern. Er nutzte jede Gelegenheit, um sich oder seine gesammelten Werke einem Publikum – sei es in Museen, sie es bei Vernissagen in seiner Wohnung – zu präsentieren.

In der Ehewohnung waren sämtliche Wände mit Bildern behangen. So hingen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers mehr als 50 Bilder im Wohnzimmer und rund 80 Bilder im Vorzimmer. Mehr als 70 Gemälde(-konvolute) befanden sich „nicht sichtbar“ auf drei Stellagen oder in Schränken und Laden in der Wohnung. Weil der Erblasser in seiner Wohnung nicht ausreichend Platz für seine gesammelten Werke fand, mietete er im Lauf der Zeit mehrere Lager an. Es kam immer wieder vor, dass er Gegenstände aus der Wohnung mit Werken aus den Lagern tauschte. Für die in der Wohnung abgehaltenen Vernissagen tauschte er teilweise auch Kunstwerke innerhalb der Wohnung aus.
Die Klägerin begehrte (unter anderem) die Herausgabe der vom Erblasser gesammelten Kunstwerke (Bilder und Statuen) als Teil des gesetzlichen Vorausvermächtnisses.

Die Vorinstanzen wiesen dieses Klagebegehren übereinstimmend ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge. Das an den zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen bestehende Vorausvermächtnis (§ 745 Abs 1 ABGB) dient der Fortschreibung der bisherigen Lebensverhältnisse nach einem subjektiven Maßstab. Weder ein bestimmtes Mindestmaß des Gebrauchs haushaltszugehöriger Sachen noch der – aufgrund der maßgeblichen subjektiven Verhältnisse in einer großen Bandbreite denkbare – Wert der Sachen sind entscheidende Kriterien für die Bestimmung des Umfangs des Vorausvermächtnisses. Allerdings sind Sachen des persönlichen Gebrauchs des Erblassers und Sachen, die primär der Berufsausübung des Erblassers dienen, unabhängig davon, ob sie sich physisch im ehelichen Haushalt befinden, nicht Teil des Vorausvermächtnisses. Da es typischerweise an einem hinreichenden Bezug zum ehelichen Haushalt fehlt, sind auch Gegenstände, die in erster Linie die Funktion einer Wertanlage erfüllen, regelmäßig nicht Teil des Vorausvermächtnisses. Der Oberste Gerichtshof formulierte folgenden Rechtssatz:

Kunstwerke, die nicht ohnehin als Werke der angewandten Kunst im Haushalt eine Gebrauchsfunktion erfüllten, können unter das Vorausvermächtnis nach § 745 Abs 1 ABGB fallen, wenn sie durch Aufhängen oder Aufstellen zur Dekoration der Ehewohnung dienten. Das gilt aber nicht, wenn im Einzelfall die Funktion als Wertanlage oder als Bestandteil einer Kunstsammlung so deutlich in den Vordergrund trat, dass die Dekorationsfunktion nur mehr ganz untergeordnete Bedeutung hatte.

Auf dieser Grundlage verneinte der Oberste Gerichtshof im Einzelfall die Zugehörigkeit der Kunstsammlung zum Vorausvermächtnis. Nach den Feststellungen war die Sammlertätigkeit des Erblassers einer beruflichen Tätigkeit nahe und diente die Sammlung primär seinem persönlichen Gebrauch, weil er kaufmännische Aspekte und seine eigene Bedeutung als Kunstkenner und -sammler ganz deutlich in den Vordergrund stellte. Die Kunstsammlung war insoweit nicht Teil der gemeinsamen Lebensführung als Ehepaar. Die mit dem (allerdings nur für Teile der Kunstsammlung überhaupt zutreffenden) sichtbaren Zurschaustellen der Kunstwerke verbundene Dekorationsfunktion trat im hier zu beurteilenden Einzelfall hingegen so stark in den Hintergrund, dass die Zugehörigkeit der Bilder und Statuen zum Vorausvermächtnis insgesamt zu verneinen ist.

Link zum Volltext im RIS erfolgt in Kürze

 
ogh.gv.at | 17.08.2025, 02:08
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/kunstsammlung-als-teil-des-gesetzlichen-vorausvermaechtnisses-des-ehegatten/)

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