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Zur Verjährung zivilrechtlicher Ansprüche bei Anklageerhebung

 
 

Klarstellungen zum Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 1. Satz ABGB

Die Klägerin vertritt die Rechtsansicht, dass der Verkauf der Anteile der Republik Österreich an den Bundeswohnbaugesellschaften (darunter die sog BUWOG) im Jahr 2004 an ein „Österreich-Konsortium“ auf rechtswidrige und schuldhafte Handlungen ua des damaligen Finanzministers, der der erstbeklagten Republik zuzurechnen sei, und des damaligen (im Jahr 2008 verstorbenen) Landeshauptmanns der Zweitbeklagten zurückzuführen sei. Bei rechtskonformem Vorgehen hätte der Zuschlag den Bietergesellschaften aus dem Konzern der Klägerin erteilt werden müssen. Die Klägerin begehrt daher mit ihrer Klage vom 27.2.2020 als Gesamtrechtsnachfolgerin und Inkassozessionarin einen Teilschaden von 1 Mio EUR sA aus dem Titel des Schadenersatzes.

Das Erstgericht beschränkte das Verfahren gemäß § 189 Abs 1 ZPO auf den Verjährungseinwand der Beklagten und wies das Klagebegehren aus diesem Grund ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das klageabweisende Ersturteil in ein den Verjährungseinwand verwerfendes Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revisionen beider Beklagten gegen dieses Zwischenurteil mit Beschluss vom 22.7.2025 zu 4 Ob 156/24f mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück.

Da bereits gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 1. Satz ABGB besteht, und diese Frage jeweils nur im konkreten Einzelfall aufgrund einer Gesamtabwägung aller Umstände beurteilt werden kann, ist Prüfmaßstab lediglich, ob dem Berufungsgericht eine unvertretbare und deswegen korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist.
Eine solche konnten die Revisionen nicht aufzeigen:

Für den Beginn der Verjährungsfrist muss der Geschädigte nach ständiger Rechtsprechung nicht nur Kenntnis von Schaden und Schädiger haben, sondern auch vom Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und einem bestimmten Verhalten des Schädigers (Schadensursache) sowie von jenen Umständen, aus denen sich das Verschulden ergibt. Maßstab ist, ob der Geschädigte eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann. Damit ist nicht gemeint, dass der Geschädigte zuwarten darf, bis er alle Beweismittel gesammelt hat, ihm muss der den Anspruch begründende Sachverhalt aber soweit bekannt sein, dass er eine schlüssige Klage mit einem konkreten Tatsachenvorbringen erheben kann. Eine subjektive „Überzeugung“ vom Vorliegen eines Sorgfaltsverstoßes oder bloße Mutmaßungen setzen die Verjährungsfrist für sich allein noch nicht in Gang, vielmehr kommt es grundsätzlich auf eine objektive Kenntnis an. Der Geschädigte darf sich aber nicht rein passiv verhalten, sondern ihn trifft eine Erkundigungsobliegenheit – die allerdings auch nicht überspannt werden darf. Wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre.

Bei einem bereits anhängigen (Straf-)Verfahren wurde von der bisherigen Rechtsprechung als relevant angesehen, ob dort bereits „gesicherte Verfahrensergebnisse oder erdrückende Beweise“ vorliegen. Auch wenn in einer Anklageschrift gemäß § 211 Abs 1 Z 2 StPO Zeit, Ort und die näheren Umstände der Begehung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat anzuführen sind, kann nur im Einzelfall anhand der konkreten Sach- und Beweislage beurteilt werden, inwieweit sich daraus derartige „gesicherte Verfahrensergebnisse“ für einen zivilrechtlichen Anspruch ergeben. Das Berufungsgericht verneinte dies im konkreten Fall in vertretbarer Weise, indem es herausarbeitete, dass sich die Anklage hinsichtlich der für den Ersatzanspruch der Klägerin maßgeblichen Umstände (zu Rechtswidrigkeit, Kausalität und Verschulden) nur auf wertende Schlussfolgerungen aus einer komplexen Indizienkette stütze, zum Zeitpunkt der Anklageerhebung aber keine „erdrückenden“ Beweise oder sonst gesicherte Verfahrensergebnisse vorlagen wie etwa ein Geständnis zu diesen Fakten. Weiters war die Klägerin eine außenstehende Dritte ohne eigene, unmittelbare Wahrnehmungen zum strafrechtswidrigen Verhalten oder besondere Informationsmöglichkeiten, und auch das Strafverfahren zielte nicht auf den der Klägerin zugefügten Schaden ab, sondern auf (ua) eine Untreuehandlung des Ministers zu Lasten der Erstbeklagten. Eine (generelle oder im Einzelfall bestehende) Pflicht, die Strafverfolgungsbehörden als Geschädigter gleichsam „überholen“ zu müssen, und noch vor Beginn der Hauptverhandlung eine Klage zu erheben, kann selbst für ein börsenotiertes und anwaltlich vertretenes Immobilienunternehmen nicht ohne Weiteres angenommen werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Haftung der Beklagten für die Klägerin bereits Ende Jänner 2017 „dem Grunde nach feststand“, und man dies nicht als bloß subjektive, verjährungsrechtlich unschädliche Überzeugung wertet, ist es schließlich vertretbar, der Klägerin ein Zuwarten bis zur Rechtswirksamkeit der Anklage und daran anschließend eine angemessene Überlegungs- und Vorbereitungsfrist für die Einbringung einer derart komplexen und kostenintensiven Schadenersatzklage zuzubilligen.

Im Ergebnis bewegt sich daher die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die dreijährige Verjährungsfrist für die (behaupteten) Schadenersatzansprüche der Klägerin im Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht abgelaufen war, innerhalb des ihm im Einzelfall zukommenden Beurteilungsspielraums.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 08.08.2025, 10:08
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/zur-verjaehrung-zivilrechtlicher-ansprueche-bei-anklageerhebung/)

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