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Neues zum Pflegevermächtnis

 
 

Der Oberste Gerichtshof präzisiert den Begriff der Pflege nach § 677 ABGB im Zusammenhang mit Besuchen, Telefonaten und Organisationsleistungen zu Gunsten einer in einem Pflegeheim untergebrachten Erblasserin.

Die Erblasserin befand sich von 2015 bis zu ihrem Tod im Jahr 2021 in Heimpflege. Ihre Tochter besuchte sie etwa einmal im Monat und telefonierte täglich mit ihr. Dabei handelte es sich meist um längere Telefonate, wobei sie der „schwierigen“ Erblasserin immer „gut zureden“ musste. Während des Heimaufenthalts kümmerte sich die Tochter auch um die Betreuung durch eine Psychologin, traf sämtliche ärztlichen Entscheidungen für die Erblasserin und war Ansprechperson gegenüber der Heimleitung sowie dem Pflegedienst.
Das Erstgericht verneinte einen Anspruch der Tochter auf ein Pflegevermächtnis.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab einer Revision der Tochter nicht Folge. Der Senat hob unter Hinweis auf Vorjudikatur hervor, dass während der Zeiten von Spitals- oder Heimpflege des Erblassers mangels (objektiv) erforderlicher Betreuungsleistungen ein Anspruch nach § 677 ABGB regelmäßig ausscheidet. Allerdings kommt für Zeiten der „Fremdpflege“ ein Anspruch aus einem Pflegevermächtnis insoweit in Betracht, als in dieser Zeit sonstige Pflegeleistungen zugunsten des Erblassers verrichtet werden, an deren alleiniger Ausübung er aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit verhindert war.

Zu den einzelnen strittigen Leistungen der Tochter hielt der Oberste Gerichtshof fest:
(a) Bloße Besuche und Telefongespräche mit einer in einem Heim untergebrachten Person sind nicht vom Pflegebegriff des § 677 ABGB umfasst. Zwar können Unterstützungsleistungen, die (nur) das psychische Wohlergehen betreffen, unter den Pflegebegriff fallen. Voraussetzung ist aber, dass es sich um Tätigkeiten handelt, an deren alleiniger Ausübung der Gepflegte aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit gehindert war (zB Vorlesen, wenn der Gepflegte dazu nicht mehr selbstständig in der Lage ist). Die Besuche und Telefonate der Tochter erfüllen die zuletzt genannten Anforderungen nicht.

(b) In eigener Person erbrachte Organisationsleistungen können unter den Begriff der Pflege fallen, soweit der Gepflegte an deren Ausübung aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit gehindert war und die Organisationsleistungen seine Möglichkeiten verbessert haben, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

(c) Der Anspruch auf ein Pflegevermächtnis setzt voraus, dass die zu berücksichtigenden Leistungen des Pflegenden insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze des § 677 ABGB überschreiten. Die Literatur geht unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien vom Überschreiten der Grenze aus, wenn durchschnittlich mehr als 20 Stunden im Monat für Pflege aufgewendet werden. Im Anlassfall überschreiten Organisationstätigkeiten im (behaupteten) Ausmaß von 13 Stunden pro Monat die Geringfügigkeitsgrenze jedenfalls nicht.

Link zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 30.06.2025, 21:06
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/neues-zum-pflegevermaechtnis/)

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