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Mittlerweiliger Stellvertreter eines Rechtsanwalts kann nicht gleichzeitig Insolvenzverwalter sein

 
 

Wurde ein Rechtsanwalt zum mittlerweiligen Stellvertreter eines anderen Rechtsanwalts bestellt, so kann der mittlerweilige Stellvertreter nicht gleichzeitig auch zum Insolvenzverwalter dieses Rechtsanwalts bestellt werden. Bei Ausübung einer solchen Doppelfunktion ist die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters nicht sichergestellt.

Der Schuldner war bis ca Mitte 2014 als Rechtsanwalt tätig. In der Folge verzichtete er auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft. Aus diesem Grund bestellte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für Kärnten für ihn einen mittlerweiligen Stellvertreter.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2014 eröffnete das Erstgericht über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren und entzog ihm die Eigenverwaltung. Gleichzeitig bestellte es den mittlerweiligen Stellvertreter (als Rechtsanwalt) zum Insolvenzverwalter.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Schuldners, mit dem sich dieser gegen die Bestellung des Insolvenzverwalters wandte, Folge und hob den Bestellungsbeschluss auf. Gleichzeitig trug es dem Erstgericht die Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters auf.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung und führte aus:

Die Insolvenzordnung will die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters sowohl gegenüber dem Schuldner als auch gegenüber den Gläubigern sicherstellen. Der Insolvenzverwalter soll seiner Verpflichtung, die gemeinsamen Interessen gegenüber den Sonderinteressen einzelner Beteiligter zu wahren, objektiv und unbeeinflusst nachkommen können. Bei Gefahr einer Interessenkollision zwischen einem Beteiligten und dem potentiellen Insolvenzverwalter oder einem von diesem Vertretenen kann die Erfüllung dieser Verpflichtung beeinträchtigt sein. Jede Nahebeziehung zwischen dem potentiellen Insolvenzverwalter und dem Schuldner gefährdet daher die im Interesse aller Beteiligten erforderliche Unabhängigkeit. Eine solche Nahebeziehung besteht auch bei einer gemeinsamen beruflichen Interessenlage, insbesondere dann, wenn der Insolvenzverwalter den Schuldner rechtsfreundlich vertritt oder berät oder dies in den letzten Jahren getan hat. Der bisherige Rechtsvertreter oder Berater des Schuldners ist daher in der Regel nicht geeignet, das Amt des Insolvenzverwalters auszuüben.

Der mittlerweilige Stellvertreter hat nach der Rechtsanwaltsordnung einen gesetzlichen Auftrag zur Fortführung der Rechtsanwaltskanzlei. Er führt die Kanzlei und ist insoweit Vertreter des Unternehmensträgers.

Es besteht kein Zweifel, dass der mittlerweilige Stellvertreter im Rahmen seiner Abwicklungstätigkeit vor allem die Interessen des Rechtsanwalts (hier des Schuldners) und dessen früheren Klienten zu vertreten hat. Er ist eine Art gesetzlicher Vertreter (hier) des Schuldners. Schon aus diesem Grund ist von der Gefahr einer Interessenkollision auszugehen.

Außerdem steht der mittlerweilige Stellvertreter etwa bei der Einziehung von Forderungen jedenfalls gegenüber Dritten nach der Interessenlage dem früheren Rechtsanwalt (hier Schuldner) näher. Demgegenüber gilt auch für die Führung von Rechtsstreitigkeiten, die die Masse betreffen, das Postulat der Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen, was zB für die Einschätzung des Kostenrisikos Bedeutung haben kann.

Zum Volltext im RIS

 
ogh.gv.at | 26.04.2024, 21:04
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/mittlerweiliger-stellvertreter-eines-rechtsanwalts-kann-nicht-gleichzeitig-insolvenzverwalter-sein/)

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