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Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines „Boxautomaten“

 
 

Es ist keine Überspannung zumutbarer Verkehrssicherungspflicht, wenn man vom Betreiber eines „Boxautomaten“ verlangt, auf geeignete Weise dafür zu sorgen, dass sich der Benutzer bei Abgabe der Boxschläge nicht mit seinen Schuhen im Untergrund verfangen kann, indem eine spaltenlose Ausführung der Bodenplatte gewählt wird.

Die Beklagte stellte im September 2002 in einem Messe-Vergnügungspark einen „Boxautomaten“ auf, der gegen Einwurf eines Euros drei Boxschläge auf einen herunter klappenden Lederball freigibt. Nach dem Münzeinwurf wird der Ball automatisch in die Spielposition gebracht und kann vom Benutzer zurückgeboxt werden. Dabei wird jeweils die Schlagstärke gemessen und auf einer Skala angezeigt. Dieser Boxautomat war im Jahr 1993 als Serienprodukt in Italien hergestellt und zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt von der Beklagten nach Österreich importiert worden. Der Standbereich vor diesem Boxautomaten wurde von einem Formrahmen gebildet, in den sechs Riffelplatten eingelassen waren. Zwischen diesen Platten befanden sich Spalten, die ca 30 mm breit waren.

Am 6. 9. 2002 gegen 20 Uhr kam der Kläger, der sich als Landwirt für auf der Messe ausgestellte Landmaschinen interessiert hatte, mit zwei Begleitern am Boxautomaten der Beklagten vorbei. Der Kläger warf einen Euro ein, um einen Schlag auszuführen. Dabei holte er aus, machte einen Ausfallschritt und boxte in Richtung des Balls. Beim Hinboxen verdrehte er sich etwas, geriet mit seinem Schuh seitlich in eine der Spalten zwischen den Bodenplatten und „drehte sich dabei das Schien- und das Wadenbein ab“ (Drehfraktur). Der Kläger fiel dadurch hin und konnte sich nur mehr mit Hilfe seiner Begleiter aufrichten.

Die Ausführung des Boxautomaten mit Spalten zwischen den Riffelplatten war „nicht unbedingt“ notwendig, half aber das Ansammeln von Wasser (bei Niederschlägen) zu vermeiden. Spalten stellen immer eine Gefahrenquelle dar. Um bei geschlossener Ausführung die Ansammlung von Wasser zu vermeiden, wäre es möglich, Löcher in die Standfläche zu bohren. Die Standfläche des gegenständlichen Boxautomaten war für „besonders modisches Schuhwerk“, „Schlapfen“ oder offene, besonders dünne Sandalen nicht geeignet. Am Boxautomaten waren keine besonderen Gefahrenhinweise angebracht.

Der Kläger begehrte von der Beklagten Schadenersatz in der Höhe von EUR 19.882,69 sA (wovon EUR 15.000 auf Schmerzengeld entfielen) und die Feststellung, dass ihm die Beklagte für sämtliche künftigen Schäden und Folgen aus dem Unfallereignis hafte. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht, die gefahrlose Benutzung des Boxautomaten zu ermöglichen, verletzt.

Die Beklagte wendete ein, die „Sorglosigkeit“ des Klägers in eigenen Angelegenheiten entbinde sie von jeglicher Haftung. Von ihr könne nicht verlangt werden, auf „atypische Gefahren“ hinzuweisen und alle denkmöglichen Gefahren zu antizipieren. Der Boxautomat sei ordnungsgemäß ausgeführt gewesen und habe keine Gefahrenquelle dargestellt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers, gestützt auf die im Leitsatz wiedergegebene Rechtsansicht, Folge und änderte die Entscheidungen der Vorinstanzen teilweise dahin ab, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht besteht. Im Übrigen wurden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über die Höhe des Leistungsbegehrens und über das Feststellungsbegehren an das Erstgericht zurückverwiesen.

Für die Konstruktion von Boxautomaten bestehen keine besondere Vorschriften. Der Grundsatz, dass keine Fangstellen für den Fuß oder das Bein vorhanden sein dürfen, hat hier aber jedenfalls zu gelten. Die volle Konzentration und Aufmerksamkeit des Benutzers gilt ausschließlich der möglichst starken Ausführung eines, allenfalls dreier, Boxschläge, wie überhaupt dem „idealen“ Treffen des herunter geklappten Lederballs. Ein sicherer Stand des Benutzers ist dabei selbstverständliche und unabdingbare Voraussetzung, um nicht bei der Ausführung des Schlags zu stolpern, zu verkannten, umzukippen oder auf sonstige Weise das Gleichgewicht zu verlieren. Mehrere rund drei cm breite Spalten in der Bodenplatte sind demzufolge bei solchen Geräten kontraproduktiv, stellen sie doch immer eine Gefahrenquelle dar; dies um so mehr auch deshalb, weil vom typischen Benutzer des Boxautomaten gerade nicht erwartet werden kann, sich während des Schlags, der mit voller Wucht ausgeführt werden soll und ohnehin schon seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, auch noch auf den Untergrund zu konzentrieren. Dies musste der Beklagten als Betreiberin des Boxautomaten bekannt sein.

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ogh.gv.at | 29.03.2024, 09:03
(https://www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/verkehrssicherungspflicht-des-betreibers-eines-boxautomaten/)

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